Millionen Mieter sollen in Zukunft aller Voraussicht nach nicht mehr wie bisher TV-Kosten über die Nebenkostenabrechnung zahlen.
Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD sprachen sich dafür aus, dass die bisherige «Umlagefähigkeit» solcher Kosten ab Juli 2024 entfällt. Bislang müssen Mieter zahlen, wenn der Vermieter das so will. Zukünftig haben die Mieter die Wahlfreiheit und können selbst bestimmen, welchen Anbieter sie haben wollen oder ob sie ganz verzichten.
Es gibt aber eine Ausnahme: Sollten neue Glasfaserleitungen verlegt werden, müsste sich der Mieter an den Kosten der Infrastruktur beteiligen – und zwar mit maximal 60 Euro pro Jahr für eine Dauer von maximal fünf beziehungsweise in bestimmten Fällen neun Jahren. Dadurch soll die Verlegung von reinen Glasfaseranschlüssen bis in die Wohnungen angekurbelt werden. Zusätzlich zum «Bereitstellungsentgelt» muss dann aber noch ein Vertrag für das TV-Signal abgeschlossen werden – und zwar jenseits der Nebenkostenabrechnung. Die bisher üblichen Sammelverträge über den Vermieter, die vor allem auf TV-Kabelanbieter entfielen, sind dann Geschichte.
Die neue Regelung ist umstritten, Kabelnetzbetreiber wie Vodafone laufen dagegen Sturm. Sie argumentieren, dass Sammelverträge relativ günstig und Einzelverträge auch wegen des Verwaltungsaufwandes etwa doppelt so teuer seien. Grob gesagt acht bis zehn Euro müssen Mieter derzeit pro Monat für einen Kabelanschluss zahlen.
Befürworter der Reform hatten hingegen argumentiert, dass Mieter dann endlich Wahlfreiheit hätten. Zudem entstünde mehr Wettbewerb am Markt, wodurch die Preise von Einzelverträgen sinken könnten.
Nutznießer der Reform ist die Deutsche Telekom, die ihr TV-Kabelnetz vor zwei Jahrzehnten abtreten musste und heute über Telefonkabel und Glasfaserleitungen Zugang zu Haushalten findet. Als Folge der Reform könnte der Bonner Konzern stärker Fuß fassen am Fernsehmarkt. Bisheriger Marktführer in diesem Segment ist Vodafone, der nun unter Druck kommt. Das Düsseldorfer Unternehmen teilte am Dienstag mit, es werde mit dem überarbeiteten System «auch weiterhin in seinen Glasfasernetzausbau für die Wohnungswirtschaft investieren».
Aus der CDU/CSU und aus der SPD kamen positive Äußerungen zur Einigung der Koalitionäre. «Um den Inhouse-Glasfaserausbau voranzubringen, ersetzen wir die 40 Jahre alte TV-Umlage durch ein modernes, in Höhe und Dauer gedeckeltes Glasfaser-Bereitstellungsentgelt», teilte die SPD-Fraktion mit ihren Berichterstattern Falko Mohrs und Gustav Herzog mit. Die Neuregelung schaffe «einen klaren Investitionsanreiz für den Vermieter», um in Glasfaserleitungen zu investieren.
Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) bewertete die Einigung der großen Koalition zu den TV-Kosten positiv. «Das kann dem Glasfaserausbau in Mehrfamilienhäusern einen deutlichen Schub geben», sagte Breko-Experte Sven Knapp. Die Deckelung auf 60 Euro pro Jahr und Wohnung sei ein ausreichender finanzieller Anreiz, damit möglichst viele Hauseigentümer Aufträge zum Verlegen von Glasfasern erteilten und damit schnelles Internet ermöglichten.
Kritisch sieht Knapp hingegen, dass die bestehende Regelung zur Umlagefähigkeit erst Mitte 2024 enden soll – ein früherer Zeitpunkt wäre aus seiner Sicht besser gewesen, um beim Glasfaserausbau baldmöglichst noch mehr Tempo zu machen.
Am Mittwoch soll das Kompromisspapier der Regierungskoalition im Wirtschaftsausschuss des Bundestags und am Donnerstag im Plenum angenommen werden – wegen der klaren Mehrheit von Union und SPD in der Volksvertretung gilt grünes Licht für die nun beschlossenen Regeln als sicher. Danach ist bei der Novelle des Telekommunikationsgesetzes der Bundesrat am Zug.
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