Luis Arce hat große Pläne: Der bolivianische Präsident will den Trend zur Elektromobilität nutzen und sein bitterarmes Land in eine strahlende Zukunft führen. Helfen sollen ihm dabei die gigantischen Lithium-Vorkommen im Salar de Uyuni.
«Wir nutzen unsere Rohstoffe in Souveränität und zum Nutzen der Bolivianer», sagte der Staatschef in der vergangenen Woche bei einem Lithium-Symposium in La Paz. Sprach’s und rauschte in einem Elektromobil aus bolivianischer Produktion, mit bolivianischem Lithium und bolivianischer Batterie davon.
Zwar ist Bolivien von der serienmäßigen Fertigung des Gefährts, das an ein Golfcart erinnert, noch weit entfernt, doch zumindest will die Regierung des südamerikanischen Landes nun groß ins Lithium-Geschäft einsteigen. Bislang wurde das Leichtmetall nur für experimentelle Zwecke gefördert, nun soll der Schatz des «weißen Goldes» im industriellen Maßstab gehoben werden. Bis 2030 will Bolivien rund 40 Prozent der weltweiten Nachfrage decken können, sagt Arce. Bei dem Symposium in La Paz stellten deshalb Unternehmen aus der ganzen Welt ihre neuesten Technologien zur Lithium-Förderung vor.
Die Autoindustrie ist im Umbruch, die Zukunft gehört den Elektrofahrzeugen: Im laufenden Jahr soll dem Marktforschungsunternehmen IHS Markit zufolge der Absatz von E-Autos weltweit um 70 Prozent zulegen. Ob die Verkehrswende tatsächlich gelingt, dürfte aber vor allem von der Verfügbarkeit leistungsstarker Batterien und damit vom Zugriff auf Lithium abhängen. Die Ionen aus den Salzen des Alkalimetalls sind unerlässlich für den Transport der elektrischen Ladung in den meisten modernen Hochleistungs-Akkus. In den kommenden 35 Jahren könnte sich laut einer Marktstudie die Nachfrage nach Lithium verfünffachen.
Da wollen auch südamerikanische Länder aus dem «Lithium-Dreieck» mitspielen: In Bolivien, Chile und Argentinien liegen laut einer Erhebung der US-Geologie-Behörde 58 Prozent der weltweiten Lithiumreserven. Wegen eines Überangebots und niedriger Preise hatten die Bergbaukonzerne auch dort zuletzt nur wenig in den Ausbau der Produktion und die Erschließung neuer Minen investiert. Sollte die Fertigung von Elektrofahrzeugen in den kommenden Jahren aber deutlich anziehen, könnte sich das ändern.
CHILE verfügt über die größten nachgewiesenen Lithium-Reserven der Welt und liegt bei der Produktion nach Australien an zweiter Stelle. Wegen günstiger geologischer und geografischer Bedingungen betragen die Förderkosten in Chile nur ein Drittel im Vergleich zu Australien. Der hohe Wasserverbrauch der Lithium-Förderung in der Atacama-Wüste – einem der trockensten Orte der Welt – sorgt allerdings auch immer wieder für Kritik. Derzeit wird in Chile eine neue Verfassung ausgearbeitet. Möglicherweise werden die Salzseen, aus denen das Lithium gefördert wird, künftig als Wasserreservoirs statt als Mineralienvorkommen definiert und besonders geschützt.
In ARGENTINIEN wird derzeit in zwei Minen Lithium abgebaut, aber fast 40 weitere Projekte sind in der Planung. BMW hatte zuletzt angekündigt, ab kommendem Jahr sein Lithium auch aus Argentinien beziehen zu wollen. Der deutsche Autokonzern will bis 2030 die Hälfte seiner verkauften Autos vollelektrisch fahren lassen. Die Regierung in Buenos Aires sieht die steigende Nachfrage als Chance, die Einnahmen aus dem Lithium-Geschäft deutlich zu erhöhen. So soll sich die Produktion bis Ende kommenden Jahres auf 230.000 Tonnen fast verdreifachen. Die Exporteinnahmen könnten dann von 190 Millionen US-Dollar auf rund eine Milliarde Dollar steigen. Hohe Inflation, teils erratisches Regierungshandeln und strenge Devisenkontrollen machen Argentinien für ausländische Investoren jedoch zu einem schwierigen Pflaster.
Mit dem Salar de Uyuni liegt in BOLIVIEN das größte einzelne Lithium-Vorkommen der Welt. Kurz vor seinem Rücktritt hatte der damalige Präsident Morales 2018 wegen Protesten in der Region Potosí einen Kooperationsvertrag zwischen dem Staatskonzern Yacimientos de Litio Bolivianos und dem baden-württembergischen Unternehmen ACI Systems aufgekündigt. Nachdem sich die politische Lage zuletzt wieder etwas beruhigt hatte, wurden die Gespräche nun wieder aufgenommen. Präsident Arce ist jedenfalls entschlossen, Bolivien zu einem ernsthaften Player im Lithium-Geschäft aufzubauen.
Für die deutsche Automobilindustrie spielt der Zugriff auf genügend Lithium eine wesentliche Rolle. «Durch das Joint Venture sichert sich Deutschland erstmals nach Jahrzehnten wieder den direkten Zugriff auf wichtige, nicht heimische Rohstoffe», sagte der Geschäftsführer von ACI Systems, Wolfgang Schmutz, bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags mit den Bolivianern.
Die Autoindustrie muss zudem ihre Kapazitäten für eine eigene Fertigung mobiler Spannungsquellen deutlich ausweiten, wenn die E-Mobilität wirklich den Durchbruch schaffen und die Einhaltung der verschärften Klimaschutzziele gelingen soll. VW kündigte kürzlich an, in den kommenden Jahren mehrere zusätzliche Batteriezellfabriken zu bauen. Opel hat sich mit den französischen Spezialisten Saft zusammengetan. BMW und Daimler investieren ebenfalls Milliarden in die E-Mobilität und die Weiterentwicklung der Zelltechnologie.
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