Die Verhandlungen über die 270 Milliarden Euro schwere EU-Agrarreform ab 2023 sind vorerst gescheitert. Unterhändler von Europaparlament und EU-Staaten brachen ihre Gespräche am Freitag ab.
EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski bedauerte den Abbruch, doch habe man noch den gesamten Juni vor sich, sagte er. Seit Jahren wird bereits auf EU-Ebene um die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik gerungen. Dabei geht es um die finanzielle Unterstützung von Millionen Bäuerinnen und Bauern in Europa und die Bedingungen, wie Lebensmittel hergestellt werden – mit direkten Auswirkungen auf Verbraucherpreise. Insgesamt haben die Agrarhilfen für die Jahre 2021 bis 2027 ein Volumen von knapp 390 Milliarden Euro. Weil sich die Verhandlungen aber hinzogen, steht bereits fest, dass eine Reform frühestens 2023 greifen würde.
Uneinigkeit über Ausrichtung
Die Reform soll die Landwirtschaft in Europa nachhaltiger und umweltfreundlicher machen. Über den Weg wird erbittert gestritten. Während das EU-Parlament auf strengere und verbindliche Regeln sowie mehr Geld für die Umwelt pocht, wollen die EU-Länder möglichst viele Freiheiten auf nationaler Ebene behalten.
Derzeit ist die Landwirtschaft laut Umweltbundesamt für elf Prozent der Treibhausgas-Emissionen in der EU verantwortlich, Schädlingsbekämpfer und Monokulturen sind schlecht für Bienen und andere Insekten. Der Deutsche Bauernverband betont, dass die Landwirtschaft schon umweltfreundlicher geworden sei.
Sollten die Verhandlungen komplett scheitern, steht im Raum, dass es zunächst so weiter geht wie bislang. Insgesamt werden in Deutschland derzeit jährlich rund sechs Milliarden Euro EU-Agrarfördermittel verteilt. Vier von fünf Euro sind als Flächenprämie verfügbar, also weitgehend unabhängig von den Folgen für Umwelt und Landschaft.
Weitere Verhandlungen möglich
Der Verhandlungsführer des EU-Parlaments und Vorsitzende des Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), sagte, er sei bereit für weitere Verhandlungen, «auch wenn nun das Vertrauen erst wieder aufgebaut werden muss». Er erwarte, dass die EU-Staaten das Parlament als Co-Gesetzgeber respektierten. Der CDU-Abgeordnete Peter Jahr sagte mit Blick auf Vorschläge der EU-Länder: «Mir kam das manchmal so vor wie ein Versicherungsvertrag.» Die Überschriften hätten gestimmt, aber im Kleingedruckten seien Aspekte versteckt gewesen, die man nicht habe akzeptieren können.
Einer der Knackpunkte, weswegen es zu keiner Einigung kam, waren die sogenannten Öko-Regeln. Künftig soll ein bestimmter Prozentsatz der Agrargelder an Umweltauflagen geknüpft sein, die Höhe dieses Anteils ist jedoch umstritten. Während das Parlament anfangs für einen Anteil von 30 Prozent der Direktzahlungen plädiert hat, wollten die EU-Länder 20 Prozent durchsetzen. Jahr sagte, ein Kompromiss hätte 25 Prozent sein können, doch hätten die Länder Sonderregelungen gefordert. Damit hätte dieser Anteil de facto deutlich sinken können.
Kritik an Klöckner
Der Grünen-Agrarexperte Martin Häusling sprach vom Versuch, den Prozentsatz auf 18 Prozent zu drücken. Die «alleinige Schuld» liege bei den EU-Staaten. Deren Vorsitz hat derzeit Portugal. Jedes halbe Jahr nimmt ein anderes EU-Land diesen Platz ein. Wenn es also noch eine Einigung unter portugiesischer Präsidentschaft geben soll, muss dies im Juni gelingen.
Häusling kritisierte auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). Sie «hat zur Radikalisierung der Ratsposition beigetragen und nicht mal den Versuch gemacht zu vermitteln», schrieb der Grüne auf Twitter. Das Landwirtschaftsministerium teilte mit: «Wenn drei an einem Tisch sitzen, muss sich jeder bewegen.» Die Ministerinnen und Minister hätten diese Bewegung gezeigt.
Klimaschützer freuen sich
Erfreut reagierten Klimaschutzaktivisten auf den vorläufigen Abbruch der Verhandlungen. «Es ist für uns ein Erfolg, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Wäre der Druck auch von Fridays for Future nicht so groß gewesen, hätte das Parlament nicht so ein starkes Rückgrat in den Verhandlungen gezeigt», sagte Fridays-for-Future-Sprecher Maximilian Herzog der Deutschen Presse-Agentur.
Man erkenne auch an, wie sehr sich EU-Kommissionsvize Frans Timmermans in die Verhandlungen eingebracht habe. «Die Respektlosigkeit mit der die Agrarministerinnen und -minister dem Vizepräsident begegnet sind, sollte die Kommission darin bestärken, dass der Reformvorschlag in seiner jetzigen Form nun endlich zurückgezogen wird.»
Zeitgleich zu den Verhandlungen machten in Frankreich Landwirte Druck auf die Regierung. Acht Stunden lang belagerten am Donnerstag nach Gewerkschaftsangaben etwa 200 Bäuerinnen und Bauern die Straße vor der Zentrale der Arbeitsagentur in Paris und Teile des Gebäudes. Sie forderten mehr Unterstützung für kleine Farmen und dass mit dem Geld aus dem Reformtopf Arbeitsplätze geschaffen würden. Sie befürchten, dass mit den aktuellen Plänen Jobverluste weitergingen.
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