21. November 2024

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Bahnkunden droht Warnstreik zur Urlaubszeit

Viele Fahrgäste mussten lange auf Bahnreisen verzichten. Oder sie haben in der Coronakrise Züge gemieden. Nun kehren sie zurück. Doch es gibt einen neuen Unsicherheitsfaktor.

«Ab 4 Euro durch ganz Deutschland» – es ist ein einmaliges Angebot, das Bahncard-Business-Inhaber dieser Tage erhalten.

Für ihre Zugfahrt brauchen sie zwei Wochen lang nur eine Reservierung; die Fahrkarte können sie sich sparen. Es ist einer von vielen Versuchen, die Menschen nach dem Corona-Einbruch wieder in die Züge zu locken. Doch seit heute kann die Bahn nicht mehr garantieren, dass ihre Züge fahren. Denn die Lokführergewerkschaft plant «Arbeitskampfmaßnahmen»; das bedeutet aller Voraussicht nach Warnstreiks.

Wann es losgeht, wie lange es dauert, welche Bereiche betroffen sind – all das ist noch offen. Bahnkunden kommt so etwas immer ungelegen, insbesondere wenn es in die Urlaubszeit geht. In rund zwei Wochen beginnen in mehren Bundesländern die Sommerferien. Nach der langen Corona-Flaute zogen erst in den vergangenen Wochen die Buchungen wieder an, hieß es bei der Bahn. «Gerade jetzt den Bahnverkehr bestreiken zu wollen, ist daneben und völlig unnötig», teilte eine Bahnsprecherin mit.

Denn im Bahntower kehrt gerade die Hoffnung zurück, diese Krise zu überwinden, die Milliardenverluste brachte. Heute beehrte der Bundespräsident den Staatskonzern. Frank-Walter Steinmeier verlieh einem extralangen ICE den Namen «Bundesrepublik Deutschland». «Ein Wahrzeichen Deutschlands», schwärmte er – ein Festtag für die Bahn. Doch während die Mitarbeiter die Zeremonie streamten, erreichte sie die Nachricht der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).

Es wäre der erste Warnstreik seit Dezember 2018

Kommt es zum Warnstreik, wäre es der erste bei der Bahn seit Dezember 2018, als die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Die letzte Streikwelle der GDL ist schon sechs Jahre her. Beide Gewerkschaften rivalisieren, das ist einer der Gründe für die neue Eskalation.

Die EVG hatte schon im vergangenen Herbst einen Tarifabschluss erzielt. Ab Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten 1,5 Prozent mehr Geld – wenig im Vergleich zu Tarifrunden in besseren Zeiten. Dafür sind bis Ende 2023 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.

GDL-Chef Claus Weselsky hat dafür nur Hohn übrig: EVG heißt für ihn «Einkommens-Verringerungs-Gewerkschaft». Er will bei Geld und Arbeitsbedingungen mehr herausholen für seine Mitglieder, deren Zahl er deutlich steigern will. Denn die Bahn hat begonnen, das Tarifeinheitsgesetz umzusetzen. In jedem einzelnen Bahnbetrieb wird geprüft, welche Gewerkschaft mehr Mitarbeiter vertritt. Nur ihr Tarifvertrag gilt.

Beide Seiten liegen weit auseinander

Für die kleine GDL ist es eine Existenzfrage. Sie hatte es deshalb nicht eilig mit den Tarifverhandlungen. Auch dass eine Streikdrohung vor einigen Monaten angesichts leerer Züge noch wenig Schrecken ausgelöst hätte, könnte dazu beigetragen haben, dass der Konflikt erst jetzt eskaliert.

Beide Seiten haben sich zwar etwas aufeinander zu bewegt, liegen aber weit auseinander. Die Bahn schlug nach eigenen Angaben am Montag einen Tarifabschluss vor, der Einkommenssteigerungen wie im Öffentlichen Dienst im Bereich Flughäfen gebracht hätte. Die Gewerkschaft beharre jedoch auf deutlich höheren Forderungen, sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler.

Die Vertragsparteien im Öffentlichen Dienst hatten sich im Herbst auf Lohn- und Gehaltssteigerungen von 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten geeinigt. Wegen des Verkehrseinbruchs gelten an Flughäfen jedoch Sonderregeln mit verzögerten Tarifsteigerungen, verringerter Arbeitszeit und einer Aussetzung leistungsorientierter Bezahlung. Beide Seiten warfen sich nun gegenseitig vor, nicht an einer Einigung interessiert zu sein.

Die GDL will in den nächsten Tagen bekannt geben, welche «Arbeitskampfmaßnahmen» kommen. Dazu zählt nach dem Vokabular neben Warnstreiks und anderen Aktionen auch eine Urabstimmung über reguläre Streiks. Bevor Züge stehen bleiben, sollen Fahrgäste laut GDL jedoch ausreichend Zeit erhalten, sich darauf einzustellen.

Von Burkhard Fraune, dpa