Mit «Cum-Ex»-Aktiengeschäften prellten Investoren, Banken und Börsenhändler den deutschen Fiskus um etliche Milliarden Euro – nur unmoralisch, oder machten sie sich auch strafbar?
Längst laufen großangelegte Ermittlungen und erste Prozesse, aber ein höchstrichterliches Urteil steht noch aus. Heute (10.30 Uhr) erreicht nun das erste Verfahren die obersten Strafrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. (Az. 1 StR 519/20)
Darum geht es genau bei Cum-Ex-Geschäften
Cum-Ex-Geschäfte heißen so, weil Aktien mit («cum») und ohne («ex») Dividendenanspruch rund um den Stichtag für die Ausschüttung in rascher Folge hin- und hergeschoben wurden. Die bewusst undurchsichtigen Transaktionen hatten nur ein Ziel: bei den Finanzbehörden möglichst große Verwirrung stiften. Mit diesem Trick ließen sich die Beteiligten im großen Stil Kapitalertragssteuer erstatten, die nie gezahlt wurde. Die Gewinne wurden aufgeteilt. Möglich machte das eine Gesetzeslücke, die erst 2012 geschlossen wurde. Bis dahin boomte das Cum-Ex-Geschäft.
Inzwischen arbeiten mehrere Staatsanwaltschaften und Strafgerichte die komplexen Vorgänge auf. Das erste Urteil fiel im März 2020 am Landgericht Bonn in einem Prozess gegen zwei Londoner Börsenhändler. Beide hatten für die inzwischen liquidierte Finanzberatung Ballance gearbeitet, die im Cum-Ex-Skandal eine zentrale Rolle spielte.
Urteil von Landgericht wegen Steuerhinterziehung
Das Landgericht hatte den einen Mann wegen Steuerhinterziehung, den anderen wegen Beihilfe dazu zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Dabei rechneten die Richter beiden hoch an, dass sie den Ermittlern ausführlich die Geschäftspraktiken erläutert und damit neue Verfahren angestoßen hatten. Auch die Anklage hatte keine höheren Strafen gefordert: Denn der «größte Steuerraub der deutschen Geschichte» sei nicht von zwei Menschen, sondern von Hunderten begangen worden.
Der erste Mann soll außerdem seinen Anteil an den Profiten zurückzahlen – 14 Millionen Euro. Dagegen hat er Revision eingelegt. Der zweite wehrt sich gegen seine Verurteilung insgesamt. Beide hatten beteuert, sie hätten nie gedacht, etwas Strafbares zu tun.
Der Fall M.M. Warburg
Der BGH hat auch darüber zu entscheiden, ob die in den Skandal verwickelte Privatbank M.M. Warburg 176 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen muss. Das hatte das Landgericht angeordnet. Die Bank hält das für ungerechtfertigt. Sie hat inzwischen die Steuernachforderungen beglichen, geht gegen die Bescheide des Finanzamts und die Einziehungsanordnung aus Bonn aber rechtlich vor.
Ursprünglich ging es im Bonner Prozess noch um vier andere Banken. Wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie musste das Gericht den Prozess allerdings abkürzen. Der Komplex wurde daher abgespalten.
Der BGH verhandelt auch über die Revision der Staatsanwaltschaft. Dabei geht es aber nur noch um Details der Einziehungsentscheidung. Dass die Richter gleich ein Urteil verkünden, ist grundsätzlich möglich, bei der komplexen Materie aber eher unwahrscheinlich.
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