Angesichts des Streiks bei der Bahn nehmen die Forderungen an die Gewerkschaft GDL zu, wieder mit dem bundeseigenen Konzern zu verhandeln. Kritik kommt auch aus dem Gewerkschaftslager.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir erleben, dass die Fahrgäste keinerlei Verständnis mehr für die Dauer der Streiks und die Beharrlichkeit der GDL haben, nicht an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Insofern fordert der VDV im Namen der Branche die GDL dazu auf, Verhandlungen wieder aufzunehmen und im Interesse der Bahnkunden schnellstmöglich die Verkehre wieder herzustellen.»
Auch DGB-Chef Reiner Hoffmann kritisierte das Verhalten der Lokführergewerkschaft GDL. «Was wir kritisch sehen, ist, dass hier eine Berufsgruppe wie die Lokführer ihre partikularen Interessen gegen das Gesamtinteresse aller anderen Bahn-Beschäftigten durchsetzt», sagte Hoffmann der «Rheinischen Post» (Samstag). Die GDL gehört zum Deutschen Beamtenbund (dbb) und nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Obwohl die Differenzen zwischen der Gewerkschaft und der Bahn nicht sehr groß seien, weigere sich GDL-Chef Claus Weselsky, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. «Im Kern geht es GDL-Chef Weselsky also darum, seine Gewerkschaft … zu erhalten und ihren Einflussbereich zu vergrößern, um auf diese Weise mehr Mitglieder zu gewinnen», sagte Hoffmann. «Bei Herrn Weselsky und der GDL geht es ums pure Überleben», so der DGB-Chef.
Sieg vor Gericht
Die GDL will den Streik bei der Deutschen Bahn nach einem Sieg vor Gericht bis zum geplanten Ende am Dienstag um 2.00 Uhr fortsetzen.
Der Geschäftsführer des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sagte der dpa: «Sowohl im Interesse der Millionen Bahnkunden als auch des Klimaschutzes kann ich nur hoffen, dass dieser Arbeitskampf bald beendet ist.» Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: «Die Heftigkeit des Streiks ist für die meisten Außenstehenden nicht nachvollziehbar. Das wird auf dem Rücken der Kunden ausgetragen. Ich hoffe nicht, dass durch den Streik Kunden vergrault werden und diese in Zukunft vermehrt auf Bus und Auto ausweichen.»
Flege sagte: «Man kann nur hoffen, dass alle Bahnkunden nach dem Streik wieder zurückkommen. Gerade war der Schienenverkehr dabei, nach den schweren Einbrüchen durch die Corona-Krise wieder Fahrt aufzunehmen. Da kommt mit dem langen Streik der nächste Schlag. Im Güterverkehr boomt der Lkw – der Marktanteil der Schiene ist nach ersten Schätzungen zuletzt sogar gesunken. Und im Personenverkehr haben wir in der Pandemie erlebt, dass viele Menschen aufs Auto umgestiegen sind.» Dies sei mit Klimaschutz im Verkehr überhaupt nicht vereinbar und laufe allen verkehrs- und umweltpolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung zuwider.
«Ich bin fest überzeugt, dass die Schiene sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr auf Dauer wieder auf den Wachstumskurs zurückfinden wird», sagte Flege. «Aber jetzt wäre eigentlich der Moment, die Aufholjagd nach der schweren Corona-Phase einzuläuten.» Streiks seien ein legitimes Mittel in Tarifauseinandersetzungen. «Aber wir dürfen jetzt nicht zu viel Zeit verlieren durch weitere Rückschläge für die klimafreundliche Schiene.» Die GDL ist wie auch die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG Mitglied des Bündnisses, die Deutsche Bahn ist Fördermitglied und trägt wie andere Unternehmen zur Finanzierung bei.
Fehlendes Verständnis für den GDL-Streik
Wolff sagte, der VDV respektiere die Tarifautonomie. Zugleich betonte er: «Im Kontext der Corona-Pandemie können wir überhaupt kein Verständnis für den GDL-Streik aufbringen. Während der gesamten Zeit der Pandemie war es breiter Konsens zwischen Politik und Unternehmen, dass das Verkehrsangebot im öffentlichen Verkehr in vollem Umfange aufrechterhalten wird.» Auf diese Weise sollten die Fahrgäste nicht nur die Möglichkeit haben, mit der öffentlichen Mobilität an ihre Arbeitsplätze zu kommen, sondern es solle gleichzeitig genügend Abstand in den Fahrzeugen gewährleistet werden. «Mit dem Streik verknappt die GDL bewusst und willentlich das Angebot für Fahrgäste und sorgt damit für eine völlig unnötige Belastung der Fahrgäste.»
Im VDV sind rund 600 Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) und des Schienengüterverkehrs (SGV) organisiert – auch die DB Regio aus dem Deutsche-Bahn-Konzern. Die Verkehrsunternehmen kämpfen gegen einen coronabedingten Fahrgastrückgang.
«Gerade jetzt muss es doch darum gehen, die Fahrgastzahlen nach den Corona-Lockdowns wieder auszubauen», sagte der Grünen-Politiker Krischer. «Der Imageschaden der Bahn wird sich in Grenzen halten, wenn es zeitnah eine Lösung in dem Tarifkonflikt gibt.»
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte der dpa: «Fehlende Planbarkeit macht die Schiene unattraktiver und schadet damit erheblich der gewünschten Verlagerung hin zum Bahnfahren.» Tarifautonomie und Streikrecht seien ein hohes Gut. «Ich wünsche mir allerdings von Seiten aller Beteiligten eine lösungsorientierte, sachliche Herangehensweise. Wenn die Konfliktparteien sich dennoch nicht einigen können, muss die erneute Anrufung eines Schlichters auf den Tisch.»
Verlässlichkeit und Planbarkeit seien enorm wichtig für Passagiere wie auch in der Logistik, so Luksic. Angesichts der kurzfristigen Streikentscheidungen und den enormen bundesweiten Auswirkungen könnte der Gesetzgeber gegebenenfalls prüfen, dass es mehr zeitlichen Abstand zwischen Streikankündigung und Umsetzung geben soll.
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