Der Kabelsalat in deutschen Haushalten ist kaum zu überblicken. Handy, Tablet und Kopfhörer brauchen – je nach Hersteller – oft verschiedene Ladekabel.
Vor allem der iPhone-Konzern Apple mit seinem hauseigenen Lightning-Anschluss erschwert eine einheitliche Lösung in der EU bislang. Damit soll bald Schluss sein – zumindest, wenn es nach der EU-Kommission geht. Die Brüsseler Behörde legte am Donnerstag einen Gesetzesvorschlag für einheitliche Ladebuchsen in Elektrogeräten vor.
Warum gibt es nicht längst eine einheitliche Lösung?
Bislang setzt die EU-Kommission auf die freiwillige Zusammenarbeit der Industrie – dabei fordert vor allem das Europaparlament seit Jahren mehr Druck auf die Unternehmen. Das Ziel – ein Ladekabel für alle Geräte – hat die EU-Kommission so nicht erreicht. 2009 einigten sich 14 Handy-Hersteller – unter ihnen Apple – auf Druck der EU-Kommission in einer Selbstverpflichtung auf einen einheitlichen Standard für Netzteile.
Bei den Buchsen in Smartphones und Tablet-Computern blieben von einst mehreren Dutzend Typen noch drei übrig: das inzwischen veraltete Micro-USB, das neuere USB-C und die dünneren Lightning-Anschlüsse von Apple. Der iPhone-Konzern weigert sich, auf seinen Standard komplett zu verzichten. Die Konkurrenz von Samsung über Xiaomi bis hin zu Oppo, OnePlus und Motorola verwendet inzwischen in der Regel USB-C-Buchsen in ihren Geräten.
Was hat die EU-Kommission nun vorgeschlagen?
Wenn es nach der EU-Kommission geht, soll USB-C der Standard für die Buchsen in den Geräten werden. Auch soll die Schnelllade-Technologie in allen Geräten vereinheitlicht werden. Außerdem sollen Kundinnen und Kunden nicht mehr dazu verpflichtet sein, ein Netzteil zu kaufen, wenn sie sich etwa ein neues Handy zulegen. Allerdings liefern Apple, Samsung und andere Hersteller ihre Smartphones schon jetzt ohne Netzteil aus.
Für welche Geräte soll das Ganze gelten?
Die EU-Kommission zielt auf sechs Geräte-Kategorien ab. Diese sind neben Smartphones auch Tablets, Kopfhörer, Lautsprecher, tragbare Spielekonsolen und Kameras.
Was soll der Vorstoß bewirken?
Zum einen sollen Verbraucher davon profitieren – weil weniger Kabel in ihrem Haushalt sind und sie zudem Geld sparen, wenn sie nicht mit jedem Gerät ein neues Netzteil erwerben. Zum anderen sollen Unmengen an Elektroschrott vermieden werden. Die EU-Kommission spricht von 11 000 Tonnen jährlich.
Warum sträubt Apple sich gegen die Vereinheitlichung?
Apple will seinen Lightning-Anschluss behalten. Der wird derzeit in allen iPhones verbaut, aber auch in manchen Tablet-Modellen wie dem aktuellen iPad 9 oder bei den AirPod-Kopfhörern. Anfangs ging es vor allem darum, dass mit Lightning extrem flache Geräte staub- und wasserdicht gebaut werden konnten, was mit dem unterlegenen Standard Micro-USB so nicht möglich gewesen wäre. Inzwischen gibt es mit USB-C aber eine brauchbare Alternative, die teilweise auch von Apple verwendet wird. Bei den Netzteilen – die ja in der Regel von den Ladekabeln getrennt werden können – setzt Apple ohnehin auf USB-C.
Ein Apple-Sprecher teilte am Donnerstag mit: «Wir sind noch immer besorgt, dass ein strenger Regulierungsrahmen, der nur eine Art von Ladebuchsen vorschreibt, Innovation eher behindert als fördert.» EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton widersprach entschieden: Der Vorschlag richte sich ganz und gar nicht gegen Innovation – und schon gar nicht gegen ein bestimmtes Unternehmen. Vielmehr solle er Verbrauchern zugute kommen. Apple könne Lightning natürlich weiter nutzen – müsste in diesem Fall aber zusätzlich USB-C verbauen. Zwei unterschiedliche Ladebuchsen in einem Smartphone sind allerdings nur schwer vorstellbar.
Hat Apple auch wirtschaftliche Gründe, an der Lightning-Buchse festzuhalten?
Ja. Der Konzern erzielt Einnahmen mit seinem Programm «Made for iPhone/iPad» (MFI). Dritthersteller von Lightning-Kabel müssen ihre Produkte im MFI-Programm zertifizieren lassen.
Was sagt die Branche zu den Plänen?
Der Digitalverband Bitkom kritisierte den Vorstoß der Kommission. Es gebe viele Hebel und Maßnahmen, um Elektroschrott zu vermeiden, erklärte der Verband. «Einheitliche Ladebuchsen für Smartphones und andere Geräte zählen nicht dazu.» Viele Hersteller seien hier bereits deutlich weiter als die Politik: Sie setzten auf kabelloses Laden auf Basis des herstellerübergreifenden Qi-Standards. Auch würden bereits jetzt neue Geräte im Sinne der Nachhaltigkeit oftmals ohne Netzteil ausgeliefert, so dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Netzteile weiter nutzen könnten.
«In diesem Zusammenhang haben einheitliche Ladebuchsen sogar einen negativen Umwelteffekt. Wenn ein nicht eben kleiner Teil der Smartphone-Nutzerinnen und -nutzern durch einen solchen Eingriff seine bisherigen Ladekabel für neue Geräte nicht mehr nutzen kann, wird dies die Menge des anfallenden Elektroschrotts vergrößern», erklärte der Verband.
Wie geht es nach dem Ladebuchsen-Vorschlag weiter?
Zunächst einmal müssen EU-Staaten und Europaparlament nun darüber beraten und eine gemeinsame Linie finden. Anschließend hätten die nationalen Regierungen noch ein Jahr Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Zudem ist eine Übergangsfrist von zwei Jahren für die Unternehmen vorgesehen. Frühestens Ende 2024 wäre die einheitliche Ladebuchse also verpflichtend für die Unternehmen – und der Kabelsalat in den Haushalten würde zurückgehen.
Bis dahin spielen Ladekabel vielleicht nur eine untergeordnete Rolle, weil die Geräte in Zukunft immer häufiger kabellos aufgeladen werden. Drahtlose Ladegeräte sind von dem neuen Vorschlag nicht betroffen. Die EU-Kommission argumentiert, dass das Angebot hier noch nicht so fragmentiert sei.
Plant die EU-Kommission weitere Erleichterungen für Verbraucher?
Ladegeräte von Handys oder Tablets wären mit dem aktuellen Vorschlag noch nicht komplett einheitlich – dafür müsste auch der Stecker, der ins Netzteil geht, vereinheitlicht werden. Dies soll mit einem Update der sogenannten Ökodesign-Richtlinie noch in diesem Jahr angegangen werden. Dann könnte die EU-Kommission auch neue Vorschriften für die Konstruktion von Handys, Tablets und Laptops, die in der EU verkauft werden, vorschlagen. Denn diese Geräte sollen nach dem Willen der Behörde grundsätzlich reparierbar und dadurch länger nutzbar werden, etwa mit austauschbaren Akkus und Software-Updates über mehrere Jahre hinweg.
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