Ob Baum, Dach oder Wand: Wenn vom Nachbarn etwas ins eigene Grundstück ragt, ist das häufig Anlass für Streit. Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelte am Freitag einen Kölner Nachbarschaftsstreit wegen einer nachträglichen Wärmedämmung eines Hauses an der Grundstücksgrenze.
Was auf den ersten Blick nach einem kuriosen Einzelfall aussieht, könnte angesichts von Klimaschutzvorgaben für Gebäude künftig eine größere Bedeutung bekommen. Mit einem Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts wird zu einem späteren Zeitpunkt gerechnet
Worum geht es?
Der Eigentümer eines vor mehreren Jahrzehnten errichteten Mehrfamilienhauses in Köln will das Gebäude dämmen lassen. Von außen, weil ihm dies von innen nach eigenen Angaben mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist. Das Problem: Das Haus steht direkt an der Grundstücksgrenze. Da der Nachbar auch weniger als 25 Zentimeter Überbau durch die Dämmung nicht dulden will, zog der Eigentümer vor Gericht. Das Amtsgericht verurteilte den Nachbarn, die Maßnahme zu akzeptieren. Das Landgericht Köln ist hingegen der Ansicht, dass der Nachbar die grenzüberschreitende Wärmedämmung nicht dulden muss. Dagegen hat der Eigentümer Revision beim BGH eingelegt.
Auf was beruft er sich?
Nach dem Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen muss ein Nachbar die Überbauung seines Grundstücks durch Wärmedämmung-Maßnahmen an bestehenden Gebäuden dulden, wenn eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und die Überbauung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. «Eine wesentliche Beeinträchtigung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überbauung die Grenze zum Nachbargrundstück in der Tiefe um mehr als 0,25 m überschreitet (…)». Aus Sicht des OLG ist diese landesrechtliche Duldungspflicht verfassungswidrig und nichtig. Es fehle an der Gesetzgebungskompetenz des Landes. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sei dies schon geregelt.
Der BGH deutete in der mündlichen Verhandlung aber an, dass eine nachträgliche Dämmung von Altbauten im Sinne des Klimaschutzes möglicherweise ein «anderer Tatbestand» sein könnte als der im BGB geregelte versehentliche Überbau eines Grundstücks.
Wie sieht das in anderen Bundesländern aus?
Auch anderswo verpflichten Landesgesetze Nachbarn, zugunsten des Klimaschutzes die Außen-Dämmung bestehender Gebäude zu dulden. In erster Linie ist dabei an Altbauten gedacht, die oft von Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze reichen. Vergleichbare Regelungen gibt es laut BGH in den Nachbargesetzen vieler Bundesländer – etwa in Hessen, Brandenburg, Niedersachsen, Berlin und Baden-Württemberg.
Was muss bei Neubauten beachtet werden?
Der BGH hat in einem Urteil im Jahr 2017 für Neubauten klargestellt: Wer sein Haus direkt an die Grundstücksgrenze baut, sollte von vornherein ausreichend Platz für die Wärmedämmung einkalkulieren (Az. V ZR 196/16). Eigentümer von Häusern, die zu einer Zeit gebaut wurden, als Wärmedämmung schon nötig war, können sich nicht auf die Landesvorschriften berufen. Damals hatten es die Richter mit einem Haus im Berliner Stadtteil Köpenick zu tun, das Mitte der 2000er Jahre errichtet wurde.
Nur Einzelfälle?
Angesichts der Klimaschutzziele der Politik könnten solche Nachbarstreits künftig häufiger vorkommen, schätzt Beate Heilmann, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV). Das sieht auch Axel Gedaschko so, der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Er verweist darauf, dass insbesondere wenig oder nicht gedämmte Gebäude nun eine neue Dämmhülle bekommen müssen. «Wenn es um grenzüberschreitende Wärmedämmung geht, besteht bei immer höheren Dämmdicken – wie bei vielen anderen Nachbarschaftskonflikten, wenn es um Grundstücksgrenzen geht – ein erhöhtes Streitpotenzial.»
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