Die Lufthansa hat über Weihnachten ein Dutzend Fernflüge gestrichen, weil sich zu viele Piloten gleichzeitig krank gemeldet haben. Zudem gab der Konzern bekannt, im neuen Jahr sein Programm wegen fehlender Nachfrage deutlich zu reduzieren.
Im Winterflugplan soll jeder zehnte geplante Flug ausfallen, insgesamt 33.000 Verbindungen werden gestrichen, wie Konzernchef Carsten Spohr in einem Interview ankündigte.
Zu den krankheitsbedingten Ausfällen über die Feiertage sagte ein Konzernsprecher am Donnerstag: «Wir haben mit einem sehr großen Puffer geplant. Der reicht aber für die extrem hohe Krankenquote nicht aus.» Über einen Zusammenhang mit der hochansteckenden Corona-Variante Omikron wolle er nicht spekulieren, da Lufthansa nicht über die Art der Erkrankungen informiert werde.
Dieser Umstand befeuert auch Mutmaßungen im Internet, in denen von einem möglichen Bummelstreik der Piloten die Rede ist. Deren Gewerkschaft Vereinigung Cockpit befindet sich aktuell mit dem Unternehmen in einer harten Auseinandersetzung um die künftige Kostenstruktur bei der Stammgesellschaft Lufthansa, bei der ab April erste coronabedingte Entlassungen drohen. Die VC befürchtet zudem einen harten Schrumpfkurs bei der Kranich-Linie zugunsten günstigerer Konzerngesellschaften. Wechselseitig wurden Tarifverträge gekündigt, so dass ab Juli theoretisch wieder Streiks möglich sind.
Derartige «Sick Outs» sind eigentlich nicht zu beweisen, aber gerade im Luftverkehr gab es schon einige Verdachtsfälle – auch im Einflussbereich der VC. So stand am 7. Oktober 2016 die komplette Flotte der Tuifly am Boden, deren Belegschaft nicht mit anderen Ferienfliegern fusioniert werden wollte. Auch im Todeskampf der Air Berlin meldeten sich ein Jahr später auffällig viele Piloten gleichzeitig krank. Ein illegaler Warnstreik unter dem Schutz der ärztlichen Schweigepflicht konnte aber nie bewiesen werden. Die VC lehnte am Donnerstag einen Kommentar ab.
Aktuell abgesagt wurden in der Zeit vom 23. bis 26. Dezember sechs Flugpaare aus Hin-und Rückflug, wie der Lufthansa-Sprecher berichtete. Neben einer Verbindung nach Tokio trifft es vor allem US-Ziele wie Houston, Boston und Washington. In diesem Verkehrsgebiet könnten die Passagiere am leichtesten auf andere Flüge umgebucht werden. Zuvor hatte das Portal «aero.de» über die Personalengpässe berichtet, die nur zum Teil mit Freiwilligen aufgefangen werden können.
Betroffen ist die Teilflotte der Langstreckenflugzeuge Airbus A330/A340, für die intern dringend nach Ersatzpiloten und -pilotinnen für die Zeit bis Anfang Januar gesucht wird. Laut «aero.de» warnte das Unternehmen in einem internen Rundschreiben: «Nun sehen wir uns aufgrund erhöhter Krankheitsquoten nicht mehr in der Lage, alle Umläufe zu bereedern. Die Crewdisposition arbeitet bereits an Szenarien zur Ausdünnung des Flugplans.» Neben den Krankmeldungen erschweren demnach auch Quarantänepflichten die Personalplanung.
Erst vor kurzem hatte der Lufthansa-Konzern erklärt, in der Corona-Krise die bestehenden Notfallkonzepte verfeinert und flexibler gestaltet zu haben. Man habe immer Reserven im Hintergrund, hatte ein Unternehmenssprecher mit Blick auf die Omikron-Variante gesagt.
Personalnot auch bei SAS
Auch die skandinavische SAS hat derzeit mit Personalnot zu kämpfen. Am Dienstag stellte die Airline knapp 30 Flüge in Schweden, Norwegen und Dänemark wegen Krankheitsfällen und Symptomen beim Flugpersonal ein, am Mittwoch und Donnerstag kamen nach Angaben schwedischer Medien einige weitere hinzu. Keine Schwierigkeiten bei der Personalplanung hat hingegen Lufthansa-Konkurrent Condor. «Wir sehen keine erhöhte Krankenquote», sagte eine Sprecherin in Frankfurt.
In Europa ist unterdessen der Weihnachtsflugverkehr voll angelaufen. Insbesondere die Direktfluganbieter Easyjet (+41 Prozent im Vergleich zur vorvergangenen Woche) und Wizz Air (+75 Prozent) bauten ihr Angebot in der Vorweihnachtswoche (16.-22. Dezember) deutlich aus, wie aus Zahlen der Flugsicherheitsorganisation Eurocontrol hervorgeht. Wizz, SAS und Ryanair boten auch mehr Verbindungen an als in der gleichen Woche des Vorkrisenjahres 2019. Davon ist die Lufthansa weit entfernt mit 21 Prozent weniger Flügen als vor zwei Jahren. Kurzfristig baute sie ihr Programm nur um 1 Prozent aus.
Im neuen Jahr wird es wegen Omikron kräftige Streichungen in den Flugplänen geben, wie Lufthansa-Chef Spohr in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» ankündigte. «Ab Mitte Januar bis Februar sehen wir einen scharfen Abriss in den Buchungen», sagte er laut Vorabmeldung. «Im Winterflugplan müssen wir daher im Konzern 33.000 Flüge oder rund 10 Prozent streichen.» Auf weitere rund 18.000 Flüge würde Spohr auch noch gern verzichten. Doch dann würden nach den EU-Regeln die Start- und Landerechte verfallen, kritisierte Spohr. Das widerspreche den erklärten Klimazielen der Kommission. Am Mittwoch hatte bereits Europas größter Billigflieger Ryanair angekündigt, sein Flugprogramm im Januar um ein Drittel zu kürzen.
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