Ohne alternative Heizung, bessere Dämmung und neue Fenster in Tausenden Wohnhäusern sind Deutschlands Klimaschutzziele kaum zu erreichen. Doch die nötigen Sanierungen werden einer Studie zufolge bis 2045 mehrere Billionen Euro kosten.
Die Wohnungs- und Immobilienbranche sieht Eigentümer völlig überfordert. Die Politik solle ihre Anforderungen herunterschrauben und den Hausbesitzern mehr unter die Arme greifen, forderten mehrere Verbände in Berlin. Klimaneutral könne man auch mit mittleren Standards werden, wenn man beim Heizen und Strom auf erneuerbare Energien umstelle.
«Immer höherer Standards überfordern sowohl Bauherren als auch Mieter finanziell und bringen nicht den gewünschten Klima-Effekt», sagte der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko. Er warnte vor massiven sozialen Verwerfungen. Andreas Ibel vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sprach von einem «Spagat zwischen Bezahlbarkeit des Wohnens und Energieeffizienz».
Abstriche bei Energieeffizienz
Dabei bezweifeln die Verbände, ob höhere energetische Anforderungen auch tatsächlich mehr zum Klimaschutz beitragen. «Abstriche bei der Energieeffizienz von Wohnhäusern zu machen, bringt am Ende mehr Klimaschutz», sagte Katharina Metzger, die Präsidentin des Bundesverbands Baustoff-Fachhandel. Denn nur so seien Sanierungen vor allem bei den Altbauten überhaupt machbar. Außerdem drohten Mieterhöhungen: Würde man ältere Gebäude bis auf den höchsten Standard sanieren, könnten «die Mieten ins Unerträgliche steigen», warnte die Gewerkschaft IG Bau.
Einer Untersuchung des Kieler Bau-Beratungsinstituts Arge für das Verbändebündnis Wohnungsbau zufolge werden bereits jetzt jährlich rund 50 Milliarden Euro in energetische Sanierungen investiert. Stiegen Modernisierungsrate und Anforderungen wie politisch gefordert an, werde sich diese Summe schnell verdrei- oder vervierfachen.
Hohe Sanierungskosten
Die Studienautoren schätzen die Kosten für die Sanierung auf bis zu 150 Milliarden Euro im Jahr. Bis 2045 – dem Jahr, in dem Deutschland klimaneutral sein will – wären das 3,6 Billionen Euro. Das ist mehr als die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik, das Bruttoinlandsprodukt, im gesamten Jahr 2021.
Und dabei rechnen die Studienautoren nicht einmal mit den Standards, die sich SPD, Grüne und FDP in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Die Ampel-Regierung will die Anforderungen für Energieeffizienz im Neubau bis 2025 auf das höchste Maß, genannt Effizienzhaus 40, anheben. Beim Umbau von Bestandsgebäuden soll ab 2024 das Effizienzhaus 70 zum Vorbild genommen werden. Die Studie rechnet mit weniger strengen Vorgaben: Effizienzhaus 70 beim Neubau und 115 bei Sanierungen.
Ein bestehendes Ein- oder Zweifamilienhaus auf das Niveau eines Effizienzhaus 115 zu bringen, kostet laut Studie zwischen 660 und 1070 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Ein Effizienzhaus 40 sei noch einmal mindestens 50 Prozent teurer, in der Spitze knapp 1600 Euro pro Quadratmeter. Effizienzhaus 40 bedeutet, dass ein Gebäude nur 40 Prozent der Energie eines Standard-Neubaus verbraucht.
Klimaneutrale Energie als Alternative
Nach Ansicht des Verbändebündnisses aus Immobilienunternehmen, Baubranche, Gewerkschaft und Mieterbund sollten die politischen Vorgaben runtergestuft werden. «Wenn wir das beachten, dann schaffen wir es auch mit den Ressourcen, mit den Handwerkskapazitäten und vor allem mit den Haushaltsressourcen – sowohl bei den Menschen, aber auch der öffentlichen Hand», sagte Gedaschko.
Die Klimaziele können nach Einschätzung der Verbände auch erreicht werden, wenn ein Gebäude nicht ganz so energieeffizient ist – nämlich wenn man saubere, klimaneutrale Energie nutze. Die Studienautoren sind der Meinung: «Sie können ein Effizienzhaus 115 theoretisch mit einer vernünftigen klimaneutralen Ausstattung besser machen als ein Effizienzhaus 40.»
Staatliche Förderung für Sanierungen
Sie empfehlen zudem eine staatliche Förderung in Höhe von mindestens 30 Milliarden Euro im Jahr. Zuletzt hatte es große Aufregung um einen Förderstopp für energieeffizientes Bauen gegeben. Zumindest für Sanierungen können ab kommender Woche aber neue Anträge auf KfW-Zuschüsse gestellt werden. Wann auch die Förderung von Neubauten wieder aufgenommen wird, stehe noch nicht fest, hieß es aus Regierungskreisen.
Ohne Förderung sehen Experten das Ziel der Ampel-Regierung, im Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, klar in Gefahr. Unter den richtigen Bedingungen ist es aus Sicht des Verbändebündnisses aber durchaus erreichbar. «Das Potenzial das allein der Umbau bestehender Gebäude bietet, liegt bei über 4,3 Millionen neuen Wohnungen», sagte Arge-Institutsleiter Dietmar Walberg. «Genug also, um in Kombination mit dem Bau komplett neuer Wohnhäuser das Ziel der Bundesregierung zu erreichen.»
Rund 1,9 Millionen Wohnungen könnten allein durch den Umbau von Büros entstehen, die durch mehr Homeoffice nicht mehr gebraucht würden. Das sei zudem vergleichsweise günstig: Der Umbau von Büros koste pro Quadratmeter Wohnfläche knapp 1300 Euro – ein Neubau mehr als 3400 Euro. Die Aufstockung von Altbauten aus der Nachkriegszeit könne zudem rund 1,5 Millionen neue Wohnungen bringen.
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