Viele Autofahrer sehnen den 1. Juni herbei. Dann gelten für drei Monate deutlich niedrigere Steuern auf Benzin und Diesel. Das entsprechende Gesetz passierte am Freitag den Bundesrat.
Doch wer direkt am 1. Juni mit leerem Tank und in Erwartung eines Schnäppchens Richtung Zapfsäule fährt, könnte eine böse Überraschung erleben: Angesichts des erwarteten Ansturms drohen Engpässe und möglicherweise wird es auch einige Zeit dauern, bis die Preise flächendeckend gesunken sind.
Mineralölkonzerne im Dilemma
Hinter beiden Entwicklungen steckt im Kern dieselbe Ursache: Die Energiesteuer fällt nicht erst beim Tanken an, sondern bereits früher, an Raffinerien und Tanklagern, wie der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) bestätigt. Dadurch ist der Kraftstoff, der sich am 1. Juni im Lager der Tankstelle befindet in der Regel noch nach den alten Sätzen versteuert und damit teurer.
Das stellt die Tankstelle, beziehungsweise den Mineralölkonzern, vor das Dilemma, ob sie der Erwartung der Kunden folgen und den noch teuer versteuerten Sprit dem Steuernachlass entsprechend billiger verkaufen oder teuer lassen und dadurch Kunden an die Konkurrenz verlieren. Was am 1. Juni passieren wird, können derzeit auch Experten nicht beantworten. Sowohl eine schnelle Senkung der Preise in Höhe des Steuernachlasses als auch eine möglicherweise mehrere Tage dauernde Anpassungsphase gelten als möglich.
«Vorübergehende Engpässe nicht komplett auszuschließen»
Durch den steuerrechtlichen Effekt könnte auch das Angebot knapp werden. Denn die Tankstellenbetreiber werden versuchen, ihre Bestände bis zum 1. Juni stark herunterzufahren, um so wenig wie möglich hoch versteuerten Sprit ab Juni billiger weiterverkaufen zu müssen, wie en2x-Hauptgeschäftsführer Christian Küchen der «Rheinischen Post» (Freitag) sagte. «Daher sind vorübergehende Engpässe an den Stationen nicht komplett auszuschließen.» Und auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Freier Tankstellen, Duraid El Obeid warnte in der Zeitung: «Eine hohe Nachfrage der Autofahrer wird auf ein niedriges Angebot stoßen.»
Der ADAC jedenfalls rät bereits dazu, den Tank zum Monatsbeginn nicht ganz leer gefahren zu haben, um im Zweifelsfall erst ein paar Tage später tanken zu müssen.
Steuerlast sinkt bei Benzin um 35,2 Cent
Konkret sinkt die Energiesteuer, bei Benzin um 29,55 Cent pro Liter, bei Diesel um 14,04 Cent. Berücksichtigt man auch die Auswirkung auf die Mehrwertsteuer, sinkt die Steuerlast pro Liter Benzin um insgesamt 35,2 Cent, pro Liter Diesel um 16,7 Cent, wie das Bundesfinanzministerium bestätigte.
Mit den Steuersenkungen könnte Superbenzin wieder auf das Preisniveau vor Ausbruch des Ukraine-Krieges zurückkehren. Am Tag vor dem russischen Angriff hatte die Sorte E10 im bundesweiten Durchschnitt noch 1,75 Euro pro Liter gekostet. Am Donnerstag waren es 2,103 Euro – der Unterschied ist fast exakt die Höhe der Steuerentlastung.
Bei Diesel sind die Vorkriegswerte dagegen wohl außer Reichweite – vor allem weil die Steuersenkung aus rechtlichen Gründen geringer ausfällt. Zieht man sie vom Dieselpreis des Donnerstags ab, landet man bei gut 1,85 Euro. Das sind fast 19 Cent mehr als vor Kriegsbeginn.
Zudem waren auch die Werte vor Kriegsbeginn bereits sehr hoch. Noch bis Jahresbeginn hatte Diesel im bundesweiten Tagesschnitt nie 1,60 Euro und Super E10 nur an wenigen Tagen mehr als 1,70 gekostet.
ADAC: Preise haben vor Steuersenkung «kräftig Speck angesetzt»
Der ADAC betrachtet die aktuelle Entwicklung an den Zapfsäulen mit Skepsis: «Die Preise haben im Vorfeld der Steuersenkung wieder kräftig Speck angesetzt», sagt Kraftstoffmarkt-Experte Jürgen Albrecht. «Vor allem Benzin ist seit Mitte April teurer geworden, ohne dass Ölpreis oder Dollarkurs das erklären könnten», betont er.
Das aktuelle Preisniveau hält Albrecht für zu hoch: «Anfang März – kurz nach Kriegsbeginn – waren die Kraftstoffe bei etwas günstigeren Außenfaktoren mehr als 27 Cent bei Benzin und mehr als 26 Cent bei Diesel niedriger. Daraus lässt sich abschätzen, dass auch jetzt – schon ohne Steuersenkung – um 20 Cent Spielraum nach unten wäre. Selbst wenn die Spritpreise im Juni um 35 beziehungsweise 17 Cent sinken, wären sie also immer noch zu hoch.»
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