Am Ufer des Ciliwung-Flusses nahe der indonesischen Hauptstadt Jakarta türmen sich alte Joghurt- und Suppenbecher, Getränkebehälter, ausgedrückte Zahnpastatuben und leere Plastiktüten.
Das sind Folgen des Geschäfts mit Plastikmüll. Die Industrie spricht zwar von wertvollem Rohstoff, und Länder exportieren Plastik eigentlich zum Recyceln. Aber vieles landet in fernen Ländern eben doch an Flussufern und Stränden.
Doch es gibt Bewegung: Seit Januar 2021 ist der Export von nicht wiederverwertbaren Abfällen nach dem «Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung» verboten. EU-Firmen dürften nur noch saubere und gut sortierte Kunststoffabfälle zum Recyceln exportieren. Und die drittgrößte Containerreederei der Welt, die französische CMA CGM, hat angekündigt, ab 1. Juni keinen Plastikmüll mehr zu transportieren. Das Versprechen wurde nach Angaben der Firma schon umgesetzt.
Noch kein Vorbild
Ist das der Anfang vom Ende dieses Geschäfts? Es sieht nicht so aus. Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, weltweit die Nummer 5 unter den Containerriesen, betont, dass ihr Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft wichtig seien. Sie sorgt sich aber um die Plastik-Recyclingwirtschaft. «Wir beabsichtigen daher vorerst nicht, diese Art von Transporten einzustellen», sagt ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Branchenführer, die Schweizer Reederei MSC, betrachtet Plastikabfälle als legitime Fracht. Und die Nummer 2, die dänische Maersk, würde allenfalls eine industrieweite Lösung in Betracht ziehen.
Der Plastikmüllexperte der Umweltorganisation Greenpeace, Manfred Santen, spricht von Müll-Kolonialismus. «Wollen wir unseren Dreck in Entwicklungsländer schicken und sagen: Macht was daraus? Wir finden das nicht richtig.» Beispiel Indonesien: Dort komme Plastikmüll meist gemischt mit Papierabfällen an, sagt Yuyun Ismawati von der Umweltstiftung Nexus3. Weil die lokale Recycling-Industrie Papier brauche, nehme sie das Plastik, das mitgeliefert wird, in Kauf.
In den Papier-Containern seien meist 40 Prozent Plastik und andere Abfälle, sagt Muhammad Kholid Basyaiban von der Umweltgruppe Ecoton. Die Importeure kippten den Plastik-Müll an den Papierfabriken aus. «Die Leute suchen und verkaufen Verwertbares an Plastik-Recycler. Sie verdienen manchmal mehr als 30 Euro am Tag», sagt er.
Dioxin-verseuchte Hühnereier
Was nicht verwertbar sei, werde teils getrocknet und von Fabriken zum Heizen verwendet. Dabei würden giftige Substanzen freigesetzt, auch Dioxin. 2019 berichteten Nexus3 und Ecoton, dass Eier freilaufender Hühner in der Nähe solcher Fabriken einen hohen Dioxin-Gehalt hätten. Der letzte Rest des Materials verdreckt Flüsse oder Strände. Die mehr als 180 Vertragsstaaten der Basler Konvention ziehen Anfang Juni in Genf Bilanz, ob die verschärften Exportregeln eingehalten werden.
Der Plastikabfall-Export aus Deutschland geht zurück. 2021 waren es nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) 766.000 Tonnen – mehr, als im Januar geschätzt (697.000 Tonnen), aber dennoch ein Tiefstand. Das dürfte zum Teil der Corona-Pandemie geschuldet sein, sagt BDE-Sprecher Bernhard Schodrowski. Der Trend sei aber schon seit ein paar Jahren leicht rückläufig. Indonesien spielt für deutsche Abfälle kaum eine Rolle, das meiste geht in die Niederlande und die Türkei.
«Wertvolles Handelsgut»
Plastik sei ein wertvoller Rohstoff, sagt Schodrowski: «Der Welthandel lebt vom internationalen Warenaustausch. Dies gilt auch für Abfälle, denn sie sind als Recycling-Rohstoff Handelsgut.» Der Verband ist überzeugt, dass die meisten Exporte ordentlich sortiert sind und in den Zielländern aufbereitet werden. «Die illegale Abfallverbringung muss natürlich rigoros verfolgt werden», sagt Schodrowski.
Umweltschützer Jim Puckett, Exekutivdirektor der Organisation «Basel Action Network», sagt, Plastikabfälle aus Haushalten könnten kaum so lupenrein sortiert werden, wie es zum legalen Export nötig wäre. Er hält Plastik auch nicht für einen wertvollen Rohstoff. Zum einen bestehe das Material aus unzähligen verschiedenen Polymeren und umweltschädlichen Zusätzen. Zum anderen werde Plastik beim Recyceln derart schwach, dass es nur ein, zwei Durchgänge überlebe, und neue Produkte brauchten immer einen großen Anteil frischen Plastiks.
Es helfe nur eins: weniger Plastik benutzen. «Das ist wie bei einer Überschwemmung im Badezimmer. Da holt man auch nicht erstmal den Lappen zum Aufwischen, sondern man dreht als erstes den Wasserhahn zu», sagt Puckett. Bis es so weit sei, müsse man sich im eigenen Land um den Dreck kümmern, fordert Greenpeace-Mann Santen: «Deutschland rühmt sich, alles Mögliche technisch in den Griff zu bekommen, da müsste es auch in der Lage sein, die Abfälle zu recyceln, die hier anfallen.»
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