Die Bundesregierung stützt ein Schlüsselunternehmen für die Gasversorgung in Deutschland mit Milliardenbeiträgen. Dabei geht es um die Gazprom Germania, die inzwischen unter staatlicher deutscher Kontrolle steht.
Infolge russischer Sanktionen sei das Unternehmen ins Straucheln geraten und werde nun über ein Darlehen vor der Insolvenz bewahrt, teilte die Bundesregierung am Dienstag mit. Unterdessen gab der russische Energieriese Gazprom bekannt, die Lieferung durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream zu drosseln. Als Grund wurden Verzögerungen bei Reparaturarbeiten durch Siemens genannt. Die Bundesregierung sieht die Versorgungssicherheit aber als gesichert an.
Bei der Stützung der Gazprom Germania geht es nach Angaben aus Regierungskreisen um eine Summe zwischen neun und zehn Milliarden Euro. Geplant sind demnach Hilfen über die staatliche Förderbank KfW. Der Bund übernimmt Garantien.
Bundesregierung verhindert Gefährdung der Energiesicherheit»
Die Gazprom Germania GmbH sei ein Schlüsselunternehmen für die Gasversorgung in Deutschland, erklärte die Bundesregierung. Das durch Sanktionen von russischer Seite ins Straucheln geratene Unternehmen solle über ein Darlehen vor der Insolvenz bewahrt werden: «Mit diesem Vorgehen behält die Bundesregierung den Einfluss auf diesen Teil der kritischen Energieinfrastruktur und verhindert eine Gefährdung der Energiesicherheit.»
Anfang April hatte der Bund über die Bundesnetzagentur die Kontrolle über die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom übernommen. Die Bundesnetzagentur wurde Treuhänderin. Hintergrund für den Schritt war der geplante «undurchsichtige Verkauf» des Unternehmens an eine russische Gesellschaft. Zu Gazprom Germania gehört auch der Gashändler Wingas, der unter anderem Stadtwerke und Industriebetriebe beliefert.
Gazprom Germania: Verschlechterung der finanziellen Lage
Russland hatte aber Mitte Mai Sanktionen gegen die Gazprom Germania und nahezu alle Tochterfirmen verhängt und so eine «finanzielle Schieflage» des Unternehmens verursacht, wie es seitens der Bundesregierung hieß. Infolge der Sanktionen seien Gaslieferungen ausgefallen. Dadurch seien Ersatzbeschaffungen zu aktuell sehr hohen Marktpreisen notwendig geworden – die Gaspreise sind auch infolge des Ukraine-Kriegs stark gestiegen.
Dies habe die finanzielle Lage der Gazprom Germania so sehr verschlechtert, dass die die Liquidität mit einem KfW-Darlehen abgesichert werden müsse. Damit wolle die Bundesregierung eine Insolvenz der Firma abwenden und Folgeeffekte im Markt verhindern. Das Geld diene dazu, die Liquidität zu sichern und Gas zu beschaffen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Rande eines Besuchs in Sofia: «Zur Sicherung der Energieversorgung wird die Bundesregierung die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sichern.» Der Staat übernehme für die KfW-Darlehen Garantien, für den Bundeshaushalt habe dies gegenwärtig keine Auswirkungen.
Gazprom reduziert Gaslieferungen
Der russische Energieriese Gazprom teilte am selben Tag mit, die maximalen Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream nach Deutschland um 40 Prozent zu veringern. Grund seien Verzögerungen bei Reparaturarbeiten durch die Firma Siemens, teilte der Staatskonzern mit. Ein Gasverdichteraggregat sei nicht rechtzeitig aus der Reparatur zurückgekommen. Deshalb könnten täglich nur noch bis zu 100 Millionen Kubikmeter Gas durch die Pipeline gepumpt werden – rund 60 Prozent des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Millionen.
Die Siemens-Tochter Siemens Energy erklärte, sie habe 2009 Gasturbinen für eine Verdichterstation von Nord Stream 1 in Russland geliefert. Um den Betrieb der Pipeline aufrechtzuerhalten, sei es notwendig, dass diese Turbinen regelmäßig überholt werden. Aus technischen Gründen könne dies nur in Montreal in Kanada gemacht werden. Aufgrund der von Kanada verhängten Sanktionen sei es für Siemens Energy derzeit nicht möglich, überholte Gasturbinen an den Kunden zu liefern. «Vor diesem Hintergrund hatten wir die kanadische und deutsche Regierung informiert und arbeiten an einer tragfähigen Lösung», sagte eine Firmensprecherin.
Bund: Versorgungssicherheit gewährleistet
Die Bundesregierung sieht die Versorgungssicherheit bei Gas nach eigenen Angaben als gewährleistet an. «Wir beobachten die Lage und prüfen den Sachverhalt», sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Im Lagebericht Gasversorgung der Bundesnetzagentur hieß es am Dienstagabend, die Behörde beobachte die Lage sehr genau. «Der vollständige Sachverhalt und mögliche
Auswirkungen der rückläufigen Flüsse aus der Nord Stream 1 werden weiter geprüft.»
Die russische Führung hat stets betont, ein verlässlicher Gaslieferant zu sein. Dennoch gibt es Befürchtungen im Westen, dass Gazprom zum Beispiel im Streit über Zahlungsmodalitäten den Hahn zudreht.
Für Deutschland ist Nord Stream die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa nicht mehr befüllt worden. Auch die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine liegt deutlich unter Plan. Die fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 ist wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nie in Betrieb genommen worden.
Speicher zu etwa 55 Prozent gefüllt
Die Gasspeicher in Deutschland sollen schnell gefüllt werden, um im Winter bei einem möglichen Ausbleiben der Lieferungen genügend Gas zu haben. Im Moment sind die Speicher zu etwa 55 Prozent gefüllt.
Große Speicher in Deutschland betreibt Gazprom Germania. Die Treuhandverwaltung über die Firma durch die Bundesnetzagentur soll nun längerfristig abgesichert werden.
Bisher hatte die Bundesregierung dazu als Grundlage das Außenwirtschaftsrecht genutzt – die Treuhandverwaltung ist aber bis Ende September 2022 befristet. Geplant ist nun eine Konstruktion nach dem erst vor kurzem geänderten Energiesicherungsgesetz. Auf dieser Basis erhalte die Bundesnetzagentur mehr Möglichkeiten, außerdem könne die Treuhänderschaft mehrmals verlängert werden.
Die Gazprom Germania wird außerdem in «Securing Energy for Europe GmbH» umbenannt – als Signal auch für die Bedeutung für die Energieversorgung in Europa. Außerdem hieß es, die Bundesregierung prüfe Möglichkeiten, das Darlehen in Eigenkapital umzuwandeln. Das würde bedeuten, dass der Staat beim Unternehmen einsteigt.
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