Fast vier Monate nach Kriegsbeginn gegen die Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin die westlichen Sanktionen für gescheitert erklärt und einen Wandel der Weltordnung vorausgesagt.
«Der wirtschaftliche Blitzkrieg hatte von Anfang an keine Chancen auf Erfolg», sagte Putin am Freitag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Der Kremlchef machte zugleich deutlich: «Wir haben nichts gegen einen EU-Beitritt der Ukraine.» Zuvor hatte die EU-Kommission sich dafür ausgesprochen, die Ukraine und Moldau offiziell zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen.
Die Sanktionen bezeichnete Putin als «wahnsinnig» und «gedankenlos» und sprach davon, dass sie die EU mindestens ebenso hart träfen wie Russland selbst. Er bezifferte den Schaden für die EU auf mehr als 400 Milliarden Dollar. Sie zögen «tektonische und revolutionäre» Änderungen nach sich.
Keine trüben Prognosen
Russland habe die Schläge hingegen weggesteckt, meinte er. So sei es gelungen, den Finanzsektor zu stabilisieren und die Inflation nach einem ersten Schock wieder zu drosseln. Die trüben Wirtschaftsprognosen für Russland hätten sich nicht bestätigt. Er führte die Rubelstärke als Beweis für das angebliche Scheitern der westlichen Sanktionen an. Die russische Landeswährung hatte kurz nach Kriegsbeginn deutlich nachgegeben, wird nun aber seit Monaten immer stärker, was vor allem daran liegt, dass Russland kaum noch westliche Waren importieren kann und daher weniger Devisen braucht.
Trotzdem fühlte sich Putin angesichts der hohen Ölpreise und des derzeitigen Haushaltsüberschusses, den Russland dadurch erwirtschaftet, in seinem Konfrontationskurs bestätigt. Die Vorherrschaft des Westens sei nicht von ewiger Dauer, sagte er. «Wir sind starke Leute, und wir kommen mit jeder Herausforderung klar», sagte der Kremlchef unter dem Applaus der Zuschauer.
Als Herausforderung erwies sich dabei bereits Putins Auftritt selbst, der wegen eines Hackerangriffs um eineinhalb Stunden verschoben werden musste. Das Einlasssystem des Wirtschaftsforums sei attackiert worden, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow die Verzögerung. Als Putin schließlich mit seiner Rede begann, waren trotzdem noch einige Plätze leer. Dabei gilt der Auftritt des russischen Präsidenten traditionell als Höhepunkt des Forums, das in diesem Jahr seinen 25. Jahrestag begeht.
Keine Teilnehmerzahl genannt
Offiziellen Angaben zufolge waren bei der Jubiläumsausgabe Besucher aus 115 Ländern anwesend, darunter angeblich auch aus Frankreich, Italien, Kanada und den USA. Zu Hochzeiten waren es 19.000 Gäste aus 145 Ländern. Eine Teilnehmerzahl wurde diesmal nicht genannt. Um Sanktionen zu umgehen, konnten Unternehmer anonym teilnehmen. Ganz offen präsentierten sich hingegen Vertreter der terroristischen Taliban in Afghanistan und auch die Separatistenführer aus den von Russland anerkannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk auf dem Forum.
Bezüglich des Kriegs gegen die Ukraine versicherte Putin dabei ein weiteres Mal, dass Moskau alle seine gestellten Ziele erreichen werde. Die Wortwahl «militärische Spezialoperation im Donbass» deutet aber darauf hin, dass die russische Führung zumindest von einigen dieser Ziele abgerückt ist, hatte der Krieg doch ursprünglich mit einem Angriff auf die Hauptstadt Kiew selbst begonnen.
Putin dementierte, dass Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine mit der internationalen Lebensmittelkrise zu tun habe. Nach Darstellung des russischen Präsidenten sind die ukrainischen Getreidelieferungen für den Weltmarkt unbedeutend. Zudem behindere Russland diese Lieferungen nicht, es sei die Ukraine selbst, die die Häfen vermint habe. Sollte Kiew die Minen räumen, garantiere Moskau die Sicherheit der Lieferungen, sagte der 69-Jährige.
Weizenlieferungen blockiert
Seit Beginn des Krieges Ende Februar sitzt die Ukraine, die weltweit der viertgrößte Getreideexporteur ist, auf den eigenen Vorräten fest. Der Westen macht Moskau für die drohende Nahrungsmittelkrise in weiten Teilen der Welt verantwortlich, weil Russlands Streitkräfte die ukrainischen Häfen entweder besetzt haben oder blockieren.
Für die Turbulenzen auf den Weltmärkten machte Putin stattdessen Europa und die USA verantwortlich. Diese horteten bereits seit geraumer Zeit Nahrungsmittel und importierten mehr als sie exportierten, behauptete der Kremlchef. Dadurch und durch die gegen Russland verhängten Sanktionen – speziell das Embargo gegen Düngemittel – habe sich die Krise auf den Märkten verschärft. Wer die Schuld auf Russland schiebe, verdrehe die Tatsachen.
Der Konflikt mit dem Westen werde anhalten, das sei der Preis für die Souveränität, die sich Russland erkämpfe. Zugleich sah Putin sein Land dafür gut gerüstet: «Russland geht in die neue Epoche als leistungsstarkes und souveränes Land und wird nur noch stärker», schloss er seine Rede.
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