27. November 2024

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Brüssel plant Schritte für Gas-Lieferstopp

Die EU-Kommission rechnet damit, dass Russland noch in diesem Jahr den Gashahn zudrehen könnte. Nun gibt es einen ersten Entwurf für einen Notfallplan.

Auf Wirtschaft und Verbraucher könnten angesichts der drohenden Gas-Krise erhebliche Energiesparmaßnahmen zukommen. Ein Entwurf für einen Notfallplan der Europäischen Kommission sieht vor, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen.

«Jetzt handeln kann die Auswirkungen einer plötzlichen Versorgungsunterbrechung um ein Drittel reduzieren», heißt es in dem Text, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es gebe mittlerweile ein «erhebliches Risiko», dass Russland in diesem Jahr Gaslieferungen nach Europa stoppt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock begrüßte die Überlegungen. Es sei «sehr, sehr wichtig und richtig, dass die EU-Kommission hier Vorschläge macht für unterschiedliche Szenarien», sagte die Grünen-Politikerin in Rostock. «In Zeiten, wo die Unsicherheit größer ist als zu normalen friedlichen Zeiten, muss man vorbereitet sein.» Der Plan der Kommission soll voraussichtlich nächsten Mittwoch (20. Juli) vorgestellt werden und kann sich bis dahin noch ändern. Die Länder können die vorgeschlagenen Maßnahmen dann selbst umsetzen.

Finanzielle Anreize für Firmen

Konkret sieht der Entwurf der Kommission vor, dass Unternehmen ihren Gasverbrauch jetzt schon reduzieren beziehungsweise auf andere Energieträger umsteigen sollen. Dafür könnten Firmen finanzielle Anreize erhalten. Auch Haushalte werden dazu aufgerufen, freiwillig weniger zu verbrauchen. «Jeder kann Gas sparen, jetzt», schreiben die Autoren.

Für den Fall von Gasknappheit sollen die Länder dem Entwurf zufolge in ihren eigenen Notfallplänen regeln, welche Industrien zuerst mit Gas versorgt würden – nach den privaten Haushalten, die nach geltenden EU-Regeln geschützt sind und priorisiert werden müssen. Nur im Ausnahmefall könnten Gaskraftwerke über bestimmte geschützte Verbraucher gestellt werden, wenn die Stromproduktion gefährdet sei.

Unter den nicht-geschützten Branchen sollen nach den bisherigen Planungen zunächst kritische Industrien wie Gesundheit, Nahrung und Verteidigung berücksichtigt werden, aber auch Sektoren, die für die europäischen Lieferketten besonders wichtig sind. So nennt die EU-Kommission etwa die Chemie- sowie die Textil- und Glasindustrie. Glas werde beispielsweise auch für Ampullen in der Pharmaindustrie oder für Solarpaneele gebraucht.

Debatten in Deutschland

Auch in Deutschland sorgt das Thema Priorisierung bei der Gasversorgung für Debatten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) machte zuletzt deutlich, dass alle Verbraucher in einer Mangellage einen Beitrag zum Energiesparen leisten müssten, auch wenn sie als geschützte Kunden gelten. Über das Energiesicherungsgesetz könnte die Bundesregierung Verordnungen zur Energieeinsparung erlassen. Dabei könnte es zum Beispiel darum gehen, Vorgaben zu Mindesttemperaturen beim Heizen abzusenken.

Simulationen der Regulierungsbehörde ENTSO-G haben laut dem Text der Kommission ergeben, dass ein Lieferstopp in diesem Monat dazu führen würde, dass die Gasspeicher nicht ausreichend befüllt werden können und somit im Winter sowie im nächsten Jahr noch Knappheit herrschen könnte. Käme eine Unterbrechung im Oktober oder später, gäbe es weniger Risiken für die Nachfrage im Winter. Man hätte dann aber weniger Zeit, zu reagieren. Die Auswirkungen für die Mitgliedsstaaten hingen davon ab, wie abhängig sie von russischem Gas seien, heißt es. Deutschland gehört hier zu den am stärksten betroffenen Ländern.

Nach Angaben der Kommission hat sich die Gasversorgung von Seiten Russlands bereits drastisch verringert. Insgesamt entsprächen die Gasflüsse mittlerweile weniger als 30 Prozent des Durchschnitts 2016 bis 2021, heißt es in dem Entwurf. Das habe zu historisch hohen Energiepreisen geführt und die Inflation in die Höhe getrieben. Es gebe keine Hinweise, dass sich die Situation verbessern werde. Sie werde sich eher verschlechtern.

Das Kernproblem nicht gelöst?

Abgeordnete im Europaparlament waren von den Maßnahmen allerdings nicht überzeugt. «Der Plan enthält wenig Revolutionäres und löst das Kernproblem, dass wir allein mit Informationskampagnen nicht über den Winter kommen werden, nicht», sagte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Das Kernproblem sei, dass schlichtweg zu wenig Gas da sei.

Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss nannte die Vorschläge «mutlos, gar verzweifelt.» Die Industrie müsse ihren Gasverbrauch wegen der hohen Preise zwangsläufig reduzieren. «Anstatt dass die Kommission endlich Europas Energiepolitik zusammenführt und ihre Kompetenz ausbaut, laufen wir hier Gefahr, 27 unterschiedliche Maßnahmenpakete in der EU zu haben», sagte Bloss. Angelika Niebler (CSU) begrüßte hingegen, dass die Kommission die Staaten koordiniere, um nationale Alleingänge zu verhindern.