Die vergleichsweise harten Corona-Maßnahmen in China würgen das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ab. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal im Vergleich zum Jahresanfang um 2,6 Prozent, wie das Pekinger Statistikbüro mitteilte.
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab es ein Wachstum von 0,4 Prozent. Das war der schwächste Wert seit Beginn der Pandemie. Im ersten Quartal war die Wirtschaft im Jahresvergleich noch um 4,8 Prozent gewachsen. Der Abwärtsdruck habe nun deutlich zugenommen, teilte das Statistikamt mit.
«Mittelschicht bekommt Auswirkungen zunehmend zu spüren»
Die Konjunktur leidet darunter, dass Peking nicht von seiner «Null-Corona-Politik» abrückt. Diese hat zum Ziel, jeden Ausbruch im Keim zu ersticken. Zahlreiche Millionenstädte hatten besonders im Frühling strenge Maßnahmen verhängt, um die Verbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante zu verhindern.
«Die Quartalswachstumszahlen spiegeln deutlich die negativen Effekte der chinesischen Null-Corona-Politik auf die Wirtschaft wider. Sie zeigen, dass Nachfrage, Produktion und Lieferketten fast zum Erliegen kamen», kommentierte Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in China.
Shanghai, die wichtigste Wirtschaftsmetropole Chinas, musste im April und Mai zwei Monate in einem harten Lockdown verbringen, was die Wirtschaft schwer traf. Auch der dortige Hafen, der wichtigste Umschlagplatz im Welthandel mit China, funktionierte nur eingeschränkt.
«Die Mittelschicht bekommt die Auswirkungen zunehmend zu spüren, etwa durch stagnierende Einkommen oder fallende Immobilienpreise. Dadurch erhöht sich der politische Druck auf die Regierung, Lösungen zu finden», kommentierte Max Zenglein vom Berliner China-Institut Merics die Lage. Das schwache Wachstum verstärke Probleme im Finanzsystem. Ohne einen deutlichen Aufschwung sei in den kommenden Monaten mit einem Anstieg der Zahlungsausfälle zu rechnen. «Das effektivste Konjunkturprogramm der Regierung wäre eine Abkehr von der drakonischen Null-Covid-Strategie», sagte Zenglein.
Damit rechnet in China kaum jemand. Noch immer können wenige Infektionen dazu führen, dass ganze Stadtteile abgeriegelt werden, wie in der vergangenen Woche in der zentralchinesischen Metropole Xi’an. Auch in Peking, Shanghai und in Shenzhen, den drei bedeutendsten Wirtschaftszentren, werden immer wieder Infektionen gefunden, die erneut zu Einschränkungen führen.
Starke Exportzahlen nicht als Entwarnung zu verstehen
Auch starke Exportzahlen für Juni, die China am Mittwoch vorlegte, sind Ökonomen zufolge nicht als Entwarnung zu verstehen. Zum Teil ist der Anstieg um 17,9 Prozent demnach damit zu erklären, dass Geschäfte nachgeholt wurden, nachdem sich Shanghai Ende Mai wieder öffnen durfte. Besorgnis löste das Importwachstum von einem Prozent aus, das auf eine geringe Kauflust bei Verbrauchern hinweist.
Trotz der Schwäche in der ersten Jahreshälfte deutete die chinesische Führung zuletzt an, ihr ambitioniertes Wachstumsziel von 5,5 Prozent für das Gesamtjahr nicht aufgeben zu wollen. China werde «effektivere Maßnahmen erlassen, um die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsziele für 2022 zu erreichen», hatte Präsident Xi Jinping Ende Juni angekündigt. Passend dazu gaben die Lokalregierungen im Juni Anleihen in Rekordumfang aus. Das Geld soll für den Bau von Infrastruktur genutzt werden. Mit neuen Schulden und hohen Infrastruktur-Ausgaben scheint Peking auf ein altbewährtes Rezept setzen zu wollen, um der Konjunktur Schwung zu verleihen.
In dieser Woche räumte Ministerpräsident Li Keqiang jedoch ein, dass es eine schwierige Aufgabe werde, die Wirtschaft zu stabilisieren. Der Regierungschef rief dazu auf, vor allem entschlossen gegen die steigende Arbeitslosigkeit vorzugehen.
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