Der ganztägige Streik der Piloten hat am Freitag den gesamten Lufthansa-Flugbetrieb nahezu stillstehen lassen. Mehr als 800 Flüge mit 130 000 betroffenen Passagieren hatte die Gesellschaft am Vortag vorsorglich abgesagt und auch nicht versucht, ein Rumpfprogramm beispielsweise mit Management-Piloten in die Luft zu bekommen.
Unter LH-Flugnummern fanden am Freitag lediglich Flüge der nicht bestreikten Lufthansa Cityline sowie aus dem Ausland gestartete Langstreckenflüge nach Deutschland statt. Bei kurzen Verbindungen wurde auf die Bahn umgebucht. Das gesamte Augenmerk liege darauf, nach Streikende am Samstag wieder einen weitgehend normalen Flugplan anbieten zu können, versicherte ein Sprecher der Airline in Frankfurt. Es handelt sich um das letzte Ferienwochenende in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland.
Es kam zu massiven Anfeindungen
Am Morgen hatte der Streik planmäßig begonnen, wie ein Sprecher der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit sagte. Der Ausstand ist dem Vorstandsbeschluss zufolge auf 24 Stunden beschränkt. Auf Kundgebungen oder Streikversammlungen verzichtete die Gewerkschaft wohl auch aus Sorge vor negativen Reaktionen.
Laut Verdi war es beim Streik des Lufthansa-Bodenpersonals im Juli zu massiven Anfeindungen gekommen. Es habe sogar Morddrohungen gegeben, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der «Augsburger Allgemeinen». «Ich empfand es als sehr bedrückend, dass Menschen, die auf unserer Seite in dem Lufthansa-Streik Verantwortung übernommen haben, bedroht wurden», sagte der Verdi-Chef.
In den Terminals am Frankfurter Drehkreuz war es am Freitag vergleichsweise ruhig, wie der Betreiber Fraport berichtete. Die meisten Passagiere hatten die Flugabsagen rechtzeitig mitbekommen. An den Service-Schaltern der Lufthansa bildeten sich dennoch lange Schlangen mit Langstrecken-Passagieren, die auf Weitertransport hofften.
Die Tochtergesellschaften sind vom Streik ausgenommen
Den Passagieren stehen bei Ausfällen oder schwerwiegenden Verspätungen ab drei Stunden Erstattungen und möglicherweise auch Ausgleichszahlungen bis zu 600 Euro zu. Es handele sich bei dem Streik nicht um einen außergewöhnlichen Umstand außerhalb des Einflussbereichs der Lufthansa, erklärte der Leiter der Rechtsabteilung des Portals «Flightright», Oskar de Felice. In solchen Fällen müsse die Gesellschaft haften, habe der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr unmissverständlich entschieden.
Bestreikt werden laut Vereinigung Cockpit ausschließlich die Abflüge der Lufthansa-Kerngesellschaft sowie der Lufthansa Cargo von deutschen Flughäfen. Die Tochtergesellschaften Eurowings, Lufthansa Cityline und Eurowings Discover sind von dem Aufruf nicht betroffen und sollen planmäßig fliegen. Gleiches gilt für ausländische Lufthansa-Töchter wie Swiss, Austrian oder Brussels. Auch Lufthansa-Flüge von nicht-deutschen Startpunkten finden statt, sofern Flugzeuge und Crews bereits im Ausland sind.
Die Gewerkschaft hatte den Streik ausgerufen, nachdem Tarifverhandlungen mit der Lufthansa gescheitert waren. Die Lufthansa hat den Streikaufruf kritisiert und die VC aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Laut Lufthansa würden die Forderungen der VC die Personalkosten im Cockpit um 40 Prozent erhöhen. Dies sei selbst ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen der Corona-Krise außerhalb des Vertretbaren. Die VC hatte neben 5,5 Prozent mehr Geld in diesem Jahr einen automatisierten Ausgleich oberhalb der Inflation ab 2023 verlangt. Dazu kämen eine neue Gehaltstabelle sowie mehr Geld für Krankheitstage, Urlaub und Training. Auf eine Laufzeit von zwei Jahren würde das eine Mehrbelastung von 900 Millionen Euro bedeuten, erklärte die Lufthansa.
Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Es fielen über 1000 Flüge aus, und rund 134 000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. In der anschließenden Verhandlungsrunde erreichte die Gewerkschaft für die rund 20 000 Bodenbeschäftigten Gehaltssteigerungen, die insbesondere in den unteren Lohngruppen deutlich zweistellig ausfielen. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst für ihre Mitglieder verhandeln. Sie erklärte sich «ausdrücklich und uneingeschränkt solidarisch» mit dem Streik.
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