Der angeschlagene Energiekonzern Uniper geht mit einem zweistelligen Milliardenverlust in die finale Verhandlungsphase zur Verstaatlichung. Bis Ende September belief sich der ausgewiesene Nettoverlust in diesem Jahr auf 40,3 Milliarden Euro, wie Deutschlands größter Gasimporteur am Donnerstag bei der Vorlage des Neun-Monats-Zwischenberichts in Düsseldorf mitteilte.
Gut drei Viertel entfallen auf zu erwartende Bewertungseffekte sowie Rückstellungen im Zusammenhang mit den russischen Gaskürzungen. Zehn Milliarden Euro Verlust sind bereits realisiert. Eine genauere Ergebnisprognose traut sich der vor der Verstaatlichung stehende Energiekonzern nicht zu. Dies sei derzeit und bis auf Weiteres nicht möglich, sagte die Finanzchefin Tiina Tuomela in einer Telefonkonferenz.
Liquiditätsbedarf verschärft
Das Düsseldorfer Unternehmen ist in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Der Gas-Großhändler hatte sich stark auf Lieferungen aus Russland ausgerichtet und ist Lieferant für über 100 Stadtwerke und große Unternehmen. Er spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung in Deutschland. «Uniper spielt eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Energieversorgung mit Strom und Gas für den Winter 2022/2023 und die
folgenden Jahre», betonte Tuomela.
Im dritten Quartal hatte sich der Liquiditätsbedarf des Unternehmens nochmal verschärft, da Russland nach zunächst teilweisen Lieferkürzungen seit Anfang September kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Während die hohen Gaspreise Uniper vor einem Jahr noch ordentlich Schwung gegeben hatten, sind sie nun das Kernproblem. Das Gas, das es aus Russland nicht mehr bekommt, muss sich das Unternehmen nun teurer auf dem Gasmarkt beschaffen.
Entsprechend hängt Unipers Gesamtjahresergebnis extrem von dem stark schwankenden Gaspreis ab. Wie dieser sich entwickeln wird, dazu will Uniper keine konkreten Annahmen machen. «Es hängt alles vom Wetter ab», sagte Tuomela. Nach dem Rekordhoch Ende August ist der Gaspreis in den vergangenen Wochen deutlich gesunken, was bei Uniper dazu geführt hat, dass nahezu keine Verluste durch Ersatzbeschaffungsmengen anfielen.
Tägliche Millionenverluste
Laut Berechnungen der Analysten vom Bankhaus Metzler entsprechen die gebildeten Rückstellungen einem durchschnittlichen täglichen Verlust von 60 Millionen Euro in den nächsten anderthalb Jahren, also bis zum Ende der Heizperiode des Winters 2023/2024. Im August lagen die Verluste zwischenzeitlich bei mehr als 100 Millionen Euro am Tag.
Die gebildeten Rückstellungen für zukünftige Verluste unterliegen den Angaben des Unternehmens zufolge der Annahme, dass kein weiteres Gas aus Russland kommt. Außerdem wurde ein bestimmter Preis für die Ersatzbeschaffung angelegt, den Uniper aber nicht nannte. Auch eine Gasumlage oder ein ähnliches staatlich eingeführtes Instrument wird nicht angenommen. Sollte der Konzern einen Teil seiner Verluste weitergeben können, könnten sich die Verluste reduzieren.
Wegen der Liquiditätsprobleme hatten sich der Konzern, die deutsche Regierung, und Unipers bisheriger Mehrheitsaktionär Fortum aus Finnland vor einem Monat auf eine Verstaatlichung von Uniper verständigt. Dabei ist unter anderem eine Kapitalerhöhung sowie der Erwerb der Uniper-Anteile von Fortum vorgesehen. Anschließend soll der Bund etwa 98,5 Prozent der Anteile an Uniper besitzen. Die Abstimmung mit der Bundesregierung für das Stabilisierungspaket sei in der finalen Phase, hieß es nun. Die Aktionäre sollen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in der zweiten Dezember-Hälfte zustimmen.
Außerordentliche Hauptversammlung
Zudem müssen die Anteilseigner ebenfalls zum Jahresende vermutlich noch ein zweites Mal zusammenkommen. Da sich Unipers Verluste auch auf das bilanzielle Eigenkapital auswirken, musste der Konzern Ende Oktober den Verlust von mehr als der Hälfte des Grundkapitals anzeigen. Aktienrechtlich zieht dies die Pflicht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung nach sich. Bei der will das Management die Anleger über den Verlust informieren und die Lage der Gesellschaft erläutern.
Bis das Stabilisierungspaket ausgestaltet ist, hilft die staatliche KfW-Bank. Bislang hat Uniper 14 von 18 Milliarden Euro der bereit gestellten Kreditlinie in Anspruch genommen, hieß es nun. Die vor gut einer Woche vorgelegten vorläufigen Zahlen bestätigte der Konzern. Demnach belief sich der bereinigte operative Verlust vor Zinsen und Steuern auf knapp 4,8 Milliarden Euro. Der bereinigte Konzernfehlbetrag beträgt 3,2 Milliarden Euro. Die beiden Kennziffern sollen die operative Entwicklung des Konzerns widerspiegeln und sind um Bewertungseffekte bereinigt.
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