24. November 2024

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Musk droht abtrünnigen Twitter-Werbekunden

Große Unternehmen setzen Werbung bei Twitter aus, weil sie sich sorgen, in welchem Umfeld ihre Marken vorkommen werden. Twitter-Eigentümer Elon Musk macht dafür jedoch «Aktivisten» verantwortlich.

Der neue Twitter-Besitzer Elon Musk hat gedroht, Werbekunden öffentlich bloßzustellen, die keine Anzeigen mehr auf der Plattform schalten. Der Tech-Milliardär reagierte damit auf den Vorschlag eines rechten Lobbyisten, er solle solche Firmen nennen, damit seine Anhänger sie mit einem «Gegenboykott» belegen könnten. Musk schrieb in seiner Antwort am Wochenende: «Danke. Ein thermonukleares Benennen und Schämen ist exakt das, was passieren wird, wenn das nicht aufhört.»

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem die Volkswagen-Gruppe, der Pharmakonzern Pfizer und der Lebensmittelriese Mondelez angekündigt, Werbung bei Twitter aussetzen zu wollen. Musk beklagte sich über einen «massiven Umsatzeinbruch» und machte «Aktivistengruppen» verantwortlich, die Druck auf die Unternehmen ausübten.

Die Unternehmen reagieren auf Sorgen, dass unter Musks Führung und nach dem von ihm durchführten großen Stellenabbau mehr Hassrede und Beschimpfungen auf der Plattform landen könnten.

Musk hatte solche Sorgen selbst mit häufiger Kritik ausgelöst, Twitter habe zu sehr die Redefreiheit auf der Plattform eingeschränkt. Vergangene Woche versuchte er dann, Werbekunden mit einem offenen Brief zu beruhigen: Twitter werde kein Ort sein, an dem man sich ohne Konsequenzen alles erlauben könne. Auch jetzt betont er, dass sich an den Inhalte-Regeln der Plattform bislang nichts verändert habe. Einige Werbekunden halten sich trotzdem zurück.

Verifizierungs-Häkchen jetzt kostenpflichtig

Die Werbeeinnahmen sind lebenswichtig für Twitter: Zuletzt machten sie gut 90 Prozent der Erlöse aus. Musk hofft auch auf zusätzliches Geld aus dem Abo-Geschäft. Er ändert dafür das Verfahren zur Vergabe der Verifizierungs-Häkchen, die bisher die Echtheit der Profile etwa von Prominenten, Politikern oder Unternehmen garantierten. Sie waren kostenlos und wurden von Twitter nach einer Prüfung gewährt. Künftig soll es sie für acht Dollar im Monat für Kunden des Abo-Dienstes Twitter Blue geben.

Die neue Version der Twitter-App mit der dafür notwendigen technischen Basis wurde der Firma zufolge am Wochenende in den wenigen Ländern verfügbar gemacht, in denen es bereits eine günstigere Version des Blue-Abos gab. Dazu gehören etwa die USA, Kanada und Australien. Wenn alles gut funktioniere und sobald die Übersetzungsarbeit erledigt sei, werde das System weltweit eingeführt, kündigte Musk bei Twitter an.

Musk trat Sorgen entgegen, diese Verifizierung per Abo könne die Tür für Missbrauch öffnen, da die bisherige Überprüfung durch Twitter entfallen soll. Das vorherige System habe auch Lücken gehabt, behauptete Musk – und zeigte sich überzeugt, dass man auf Basis der Bezahlsysteme zur Überweisung der Abo-Gebühr und der App-Plattformen von Apple und Google die Accounts viel besser verifizieren könne. Sollten Betrüger versuchen, sich für andere auszugeben, werde ihr Account gesperrt.

Geschäftszahlen muss Musk nicht veröffentlichen

Das Erlöspotenzial des Abo-Angebots ist unterdessen unklar. Nach jüngsten Angaben von Ende Juni hatte Twitter knapp 238 Millionen täglich aktive Nutzer. Auf dieser Basis wären das zusätzliche rund 1,9 Milliarden Dollar im Monat, wenn jeder von ihnen für die Verifizierung zahlen würde – was völlig unrealistisch ist. Twitter machte im zweiten Quartal mit seinem bisherigen Geschäft knapp 1,2 Milliarden Dollar Umsatz. Nach der Übernahme durch Musk muss das Unternehmen keine Geschäftszahlen mehr veröffentlichen.

Am Wochenende gab es von Musk weiterhin keine Angaben zum Ausmaß des am Freitag eingeleiteten großen Stellenabbaus. Aber ein Tweet des unter anderem für das Herausfiltern problematischer Inhalte zuständigen Managers Yoel Roth war im Einklang mit Medienberichten, wonach etwa jeder zweite Job wegfallen sollte. In seinem Bereich seien rund 15 Prozent betroffen gewesen, während der Anteil firmenweit bei rund 50 Prozent gelegen habe, schrieb Roth.

Medien hatten von rund 3700 betroffenen Jobs berichtet, was in etwa der Hälfte der Belegschaft entspreche. Der bei Online-Netzwerken gut vernetzte Tech-Journalist Casey Newton schrieb zugleich, er habe von Mitarbeitern gehört, die am Freitag entlassen worden seien und am Wochenende Rückkehr-Angebote bekommen hätten.

Musk verteidigte den breiten Stellenabbau. Twitter mache mehr als vier Millionen Dollar Verlust pro Tag und deshalb habe es keine Alternative gegeben, schrieb er. Musk ging nicht darauf ein, welche Rolle bei dem Verlust die Bedienung von Schulden spielen könnte, die er für die rund 44 Milliarden Dollar teure Übernahme aufgenommen hatte. Dagegen betonte er, dass den entlassenen Mitarbeitern drei Monatsgehälter angeboten würden – eines mehr als in Kalifornien gesetzlich verpflichtend ist. Laut Medienberichten müssen Mitarbeiter für das zusätzliche Gehalt aber noch Verpflichtungen bei Twitter eingehen.

UN-Menschenrechtschef Volker Türk kritisierte Musk am Wochenende in einem offenen Brief und mahnte einen verantwortungsvollen Betrieb der globalen Plattform an. Dass fast alle Experten für Menschenrechte und Ethik bei Twitter gefeuert worden sein sollen, sei «kein ermutigender Auftakt» von Musks Ära bei Twitter, schrieb Hochkommissar Türk dem Technologie-Milliardär am Samstag.

Auch Politiker der deutschen Regierungsparteien reagierten mit Kritik. SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann forderte im «Handelsblatt» (Sonntag), dass das Bundesamt für Justiz «Twitter unter verschärfte Aufsicht nehmen und bei Verstößen schnell und entschieden handeln» müsse. SPD-Parteichef Lars Klingbeil kritisierte die Übernahme in der Zeitung als «hochproblematisch». «Sollte die Meinungsvielfalt weiter angegriffen werden, müssen die Behörden konsequent durchgreifen», forderte Klingbeil. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, warnte in der Zeitung: «Mit Elon Musk steuert jetzt ein Multimilliardär Twitter, der selbst ziemlich krude politische Ambitionen hegt.»