Der gesetzlich verankerte Zeitdruck bei der Beförderung von Briefen sollte nach Ansicht der Deutschen Post abgeschwächt werden. Konzernchef Frank Appel appellierte in Bonn an den Gesetzgeber, die bisherige Vorgabe, der zufolge mindestens 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag beim Empfänger sein müssen, zu überdenken.
Sinkender Bedarf an Briefen
«Muss tatsächlich jeder Brief – oder mehr als 80 Prozent – am nächsten Tag zugestellt werden?» Der Manager machte dabei klar, dass er so eine Vorgabe angesichts des sinkenden Bedarfs an Briefen im Digitalzeitalter für nicht mehr angemessen hält. «Die Politik muss verstehen, wir brauchen irgendwo eine Kostenentlastung.»
Die Ampelkoalition will das Postgesetz in der laufenden Legislaturperiode ändern und modernisieren – seine Eckpfeiler sind mehr als zwei Jahrzehnte alt und kommen aus einer Zeit, als viele Bürger noch Briefe und Postkarten statt Mails und Chatnachrichten schrieben. Ein Gesetzgebungsvorschlag könnte im kommenden Jahr vorgelegt werden.
Mit Blick auf diese für den Konzern immens wichtige Reform sagte Appel: «Wir brauchen eine andere Regulierung: Wir können nicht so tun, als wäre die Welt wie vor 20 Jahren.» Heute befördere man viel mehr Pakete und viel weniger Briefe als damals.
Derzeit kommen Firmenangaben zufolge 83 bis 84 Prozent der eingeworfenen Briefe am Folgetag an – vorausgesetzt, dass es kein Sonntag oder Feiertag ist. Sollte die 80-Prozent-Vorgabe gesenkt werden, könnte sich das Unternehmen mehr Zeit lassen bei der Briefbeförderung. Dadurch würden Kosten sinken. Auf wieviel Prozent die Vorgabe nach seiner Vorstellung sinken sollte, sagte Appel nicht.
Die Wartezeit auf Briefe könnte sich verlängern
Für den Verbraucher hieße so eine Absenkung, dass Briefe im Schnitt länger unterwegs sind und dass er bisweilen länger warten muss. Allerdings stellt sich die Frage, ob das angesichts der abnehmenden Bedeutung von Briefsendungen im Digitalzeitalter so gravierend wäre.
Neben der Zeitdruck-Vorgabe enthält das jetzige Postgesetz noch die Pflicht, dass die Post an jedem Werktag Briefe ausliefern muss. Ein EU-Regelwerk enthält eine Mindestvorgabe von nur fünf Werktagen einschließlich Samstag die Woche – würde diese auch in Deutschland angewandt, fiele der chronisch sendungsschwache Montag als Zustelltag weg.
Noch vor einigen Jahren war in der Postbranche ein Ende der Montagszustellung debattiert worden. Doch von so einer Forderung will Appel heute nichts wissen. «Wir wollen weiter jeden Tag zustellen», sagt er. Er begründet dies unter anderem mit der steigenden Anzahl von Zeitungen, deren Zustellung die Post inzwischen von Verlagen übernommen habe.
Mancherorts fehlt Personal
Die Post hat derzeit mit Problemen bei der Briefzustellung zu kämpfen – mancherorts fehlten in den vergangenen Monaten bis zu 30 Prozent Personal. Der Firma zufolge ist das kein flächendeckendes, sondern nur ein lokales Problem. Grund hierfür sind laut Post ein hoher Corona-Krankenstand und die angespannte Lage am Arbeitsmarkt.
Aus Ärger über verlorene oder arg verspätete Briefe beschwerten sich in den vergangenen Monaten deutlich mehr Bürger bei der Bundesnetzagentur als zuvor. Auf die Lage bei der Briefzustellung angesprochen, sagte Appel: «Beim Brief sehen wir eine deutliche Stabilisierung der Situation.» Zugleich räumte er aber ein, dass es bis zum Jahresende unvermeidbar sein werde, dass man in einzelnen Zustellbezirken «Notfallpläne» umsetzen müsse. Bei den Notfallplänen werden Briefe nur noch an jedem zweiten Tag zugestellt, um etwas Druck vom Kessel zu nehmen.
Vor dem Hintergrund der Beschwerdewelle hatte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, unlängst gefordert, seiner Behörde in der anstehenden Postgesetz-Reform eine neue Sanktionsmöglichkeit gegen die Post einzuräumen. Nach dem Verständnis von Müller könnten drohende Bußgelder die Post zu einer besseren Leistung antreiben.
Diese Forderung stieß bei Appel auf Unverständnis. Er könne nicht erkennen, was seine Firma bei gesetzlich fixierten Sanktionsmöglichkeiten anders machen würde. «Wir würden weiter versuchen, mehr Mitarbeiter zu finden», sagte Appel. «Sanktionsmöglichkeiten sind vielleicht für die Öffentlichkeit interessant, aber sie werden in der Situation nichts helfen.»
Starkes Wachstum im Frachtgeschäft
Der Vorstandsvorsitzende und die Finanzchefin Melanie Kreis stellten am Dienstag Zahlen für das dritte Quartal vor. Vor allem dank glänzender Geschäfte mit Frachtgut machte die Deutsche Post DHL kräftig Kasse, der Konzernumsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent auf rund 20 Milliarden Euro. Die Erlöse in der Frachtsparte schnellten sogar um 38 Prozent in die Höhe, andere Bereiche liefen ebenfalls gut. Der Konzerngewinn stieg um 13 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Dass die Geschäfte insgesamt weniger profitabel waren, lag auch an negativen Währungseffekten.
Doch das Stammgeschäft der Post – der Brief- und Paketversand im Inland – schwächelte erneut. Der Umsatz stagnierte bei 3,9 Milliarden Euro, und das operative Ergebnis (Ebit) sank um 3 Prozent. Rechnet man im Vorjahresquartal getätigte Zusatzkosten für einen Corona-Sonderbonus an die Belegschaft heraus, liegt das Minus sogar bei 18 Prozent. Tatsächlich ist der heimische Brief- und Paketmarkt eher ein Sorgenkind: Während das Management die Jahresprognose für den Konzern insgesamt anhob, senkte es das Ziel für den Bereich Post & Paket Deutschland etwas ab.
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