Ein Laster fährt die mit Holz verkleideten und mit Zapfhahn, Theke und Spüle ausgestatteten Container am frühen Morgen in die Dortmunder Innenstadt. Mit einem schweren Baukran bauen Rudi Isken und rund ein halbes Dutzend Helfer den zweistöckigen Glühweinstand auf. «Bisher läuft alles nach Plan», ruft der 49-Jährige durch den Regen und die Dunkelheit, während er schwere Holzblöcke unter das Fundament des Stands schiebt.
Zum 50-jährigen Jubiläum im Jahr 2019 schaffte er einen neuen doppelstöckigen Stand an. «Mehr als eine halbe Million hat das gekostet». Doch nach diesem einen Weihnachtsmarkt war schon wieder Schluss – Corona-Pause. «Ich dachte eigentlich immer, dass Jobs, die in der Freizeit anderer Menschen stattfinden, wie beispielsweise Volksfeste, immer funktionieren», schildert der Schausteller. Corona habe seine Meinung allerdings geändert.
«Wir sind nicht die Leute, die den Kopf in den Sand stecken», sagt Isken über seine Branche und mit Blick auf zwei Jahre Pandemie. Schausteller seien berufsbedingte Optimisten, «wir denken immer positiv». Trotz eines guten Geschäftsjahres 2022 muss er das nun auch, denn mit Energiekrise und Inflation steht bereits die nächste schwere Zeit für Schausteller ins Haus.
«Das verfügbare Einkommen wird geringer»
«Wir haben das Problem des Kaufkraftschwundes unserer Zielgruppe», sagt Werner Hammerschmidt, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSM) in Bonn. «Die hohen Lebenshaltungskosten, das verfügbare Einkommen wird geringer. Das merken wir als Schausteller.»
Das Volksfest hatte 2022 sein großes Comeback, da sind sich Verbände und Schausteller einig. «Wir erwarten ein positives Weihnachtsgeschäft, weil die Saison bisher uns einfach gezeigt hat, dass das kleine Vergnügen an Wert gewonnen hat», sagt Isken. «Rausgehen, Leute treffen und eben nicht vor der Spielkonsole sitzen, hat im Laufe des Jahres eine echte Renaissance erfahren.»
Nun steht das wichtige Weihnachtsgeschäft an. Das sei für viele Schausteller existenziell wichtig, da die Saison erst wieder rund um Ostern beginne, sagt Hammerschmidt vom Bundesverband. Die Branche stehe jedoch momentan vor ähnlichen Problemen wie die Gastronomie: Es fehle allerorten an Personal. Patrick Arens, Vizepräsident des BSM, ergänzt: «Die große Frage ist bei vielen: Wie kriege ich mein Personal zusammen? Und wegen wechselnder Standorte ist es manchmal für uns noch schwieriger als in der Gastronomie».
Hinzu kommt, dass viele Städte bei ihren Weihnachtsmärkten schon wieder auf die Bremse treten – aus Energiespargründen. Beispiel Dortmund, wo der Weihnachtsmarkt wie in vielen Städten eine Stunde später seine Pforten öffnet. Auch bei der Dekobeleuchtung wird gespart und vielerorts fehlen Attraktionen wie Eisbahnen. Die Gäste aber sollen trotzdem kommen. Isken ist optimistisch: «Wir sind guter Dinge. Die Gasspeicher sind voll, und Atomkraftwerke laufen weiter – am Strom wird es nicht scheitern».
In den neuen Glühweinstand investiert
Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbunds (DSB) in Berlin, behauptet sogar: «Der Stubenhocker verbraucht mehr Strom als der Weihnachtsmarktgänger.» «Wir kochen auf Weihnachtsmärkten für Millionen, so verbraucht nicht jede Person einzeln Strom», sagt Hakelberg.
Energieprobleme und Einsparpotenziale bei seinem Stand sieht Rudi Isken eher weniger. «LEDs sind bei uns Schaustellern seit Jahren Usus.» Den Autoscooter für die Sommersaison hat er in den letzten Jahren beispielsweise für 60.000 Euro umrüsten lassen.
Auch in den neuen Glühweinstand habe er investiert. Der wird nun erst zum zweiten Mal aufgebaut, und das kostet: Zwischen 10.000 und 12.000 Euro verschlingen allein Auf- und Abbau. Bis alles angeschlossen, dekoriert und betriebsbereit ist, dauert es rund eine Woche.
Meist Preise wie vor Corona
Wie viel Glühwein er in den nächsten Wochen verkaufen wird, damit sich das rentiert, kann Isken nicht genau sagen. «Ich hoffe genug.» Neben Strom und Gas seien auch die Einkaufspreise für Wein und andere Rohstoffe gestiegen.
«Aufgrund der gestiegenen Energiekosten für die Betriebe müssten die Preise eigentlich wie in allen anderen Bereichen der Lebensmittelbranche auch erhöht werden», heißt es beim DSB. In den meisten Regionen Deutschlands würden jedoch die Preise genommen, die auch vor der Corona-Pandemie galten.
Das gilt auch für den Glühwein von Rudi Isken: Der soll weiterhin drei Euro pro Tasse kosten. «Wir hoffen, dass der Gast den niedrigen Preis zurückzahlt und öfter kommt».
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