Im Musterverfahren gegen die VW-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) haben der frühere Vorstandschef Wendelin Wiedeking und der damalige Finanzvorstand Holger Härter jegliches Wissen von Abgasmanipulationen bei Volkswagen verneint.
Die beiden früheren Manager erklärten am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, dies sei nie Thema im Aufsichtsrat bei Europas größtem Autobauer gewesen. In dem Rechtsstreit geht es um Schadenersatzklagen von PSE-Anteilseignern. Diese werfen dem Großaktionär von Volkswagen vor, zu spät über den Abgasskandal informiert zu haben.
Wiedeking sagte: «Ich hatte keine Kenntnis, dass Volkswagen nicht in der Lage gewesen sein sollte, einen auch den strengen US-Umweltvorschriften entsprechenden Dieselmotor zu entwickeln.» Erst Recht habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass bei dem Unternehmen offenbar illegale Abschalteinrichtungen verwendet worden seien. Er habe erst 2015 aus der Presse von den Vorgängen erfahren, sagte der 70-Jährige, der auch Chef des Autobauers Porsche war. Er gehörte dem VW-Aufsichtsrat von 2006 bis 2009 an.
Wurde gegen die Veröffentlichungspflicht verstoßen?
«Ich bin kein Freund des Dieselmotors», sagte Wiedeking weiter. Der damalige Finanzvorstand Holger Härter, ebenfalls ein früheres Aufsichtsratsmitglied von Volkswagen, sagte, bei der geplanten Übernahme der Wolfsburger durch den Sportwagenbauer sei der Dieselmotor nie Thema gewesen. Porsche habe einst auf Wunsch von VW-Patriarch Ferdinand Piëch ein Dieselmodell des Cayenne in sein Angebot aufgenommen. Härter beklagte rückblickend eine mangelnde Transparenz beim Rechnungswesen von VW. Dies sei sukzessive etwas besser geworden. Der 66 Jahre alte Härter und auch Wiedeking sind 2009 aus dem Konzern ausgeschieden.
Mit der Zeugenvernehmung der beiden Ex-Vorstände sollte geklärt werden, ob eine von einem Aktionär behauptete Entscheidung von Volkswagen im Juni 2008, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Fahrzeuge mit Motor EA 189 zu verkaufen, für die Dachgesellschaft eine Insiderinformation darstellte – und ob deshalb eventuell gegen eine Veröffentlichungspflicht verstoßen wurde.
Die Kläger betonen, dass sie – im Unwissen über die Dieselbetrügereien – vor Jahren zu viel Geld für ihre PSE-Aktien bezahlt hätten. Ihre Argumentation: Wenn VW und dann auch die Holding die Märkte früher über den Skandal informiert hätten, hätte das auch früher den Aktienkurs gedrückt und sie hätten weniger für ihre Anteile bezahlen müssen. Die PSE hält die Klagen für «offensichtlich unbegründet». Man sei eine Beteiligungsholding und kein Autobauer. Daher sei man auch nicht mit der Entwicklung, Herstellung oder dem Vertrieb von auffällig gewordenen Dieselmotoren befasst gewesen.
Zum Musterkläger hatte das OLG einen britischen Fonds erklärt, der einen Anspruch von 5,7 Millionen Euro geltend macht. Der Prozess soll am 29. März 2023 mit einem Verkündungstermin fortgesetzt werden.
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