Eine der schillerndsten Unternehmer-Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte geht von Bord. Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann, Matriarchin des fränkischen Auto- und Industriezulieferers Schaeffler, zieht sich im Alter von 81 Jahren aus der aktiven Arbeit im Aufsichtsrat zurück.
Sie bekleidet nach der Hauptversammlung im April nur noch eine Ehrenrolle, wie das Unternehmen mitteilte. Schaeffler-Thumann, die in einem Atemzug mit Unternehmerinnen wie Liz Mohn oder Friede Springer genannt wird, ist Symbol des Aufstiegs und der Krisen des Zulieferer-Imperiums.
«Die letzten drei Jahrzehnte meines Lebens waren geprägt von meinem Einsatz für das Unternehmen Schaeffler und die große Schaeffler-Familie. Ich bleibe dem Unternehmen auch zukünftig als Gesellschafterin eng verbunden und bin glücklich, der Nachfolgegeneration ein geordnetes Haus zu hinterlassen», sagte Schaeffler-Thumann.
«Wir verdanken ihr unendlich viel»
Aufsichtsrat und Management würdigten die Lebensleistung der in Prag geborenen und in Wien aufgewachsenen Unternehmerin. «Der unermüdliche Einsatz meiner Mutter durch Höhen und Tiefen des Unternehmens war entscheidend dafür, dass Schaeffler heute zu den weltweit führenden Technologieunternehmen überwiegend in Familienhand gehört. Wir verdanken ihr unendlich viel und wünschen ihr alles Gute», sagte ihr Sohn und Aufsichtsratschef Georg F.W. Schaeffler.
An ihre Stelle im Aufsichtsrat soll die ehemalige CDU-Politikerin Katherina Reiche treten. Sie ist Chefin des Energieversorgers Westenergie und gilt als Wasserstoffexpertin. Wasserstoff ist eines der Zukunftsfelder bei Schaeffler.
Schaeffler-Thumann, die eigentlich Ärztin werden wollte, war nach der Heirat mit ihrem Mann Georg Schaeffler von ihrem Studienort Wien nach Franken gezogen. Nach dem Tod ihres Mannes 1996 und dem Wegzug des Sohnes in die USA sah sich die damals 55-Jährige plötzlich alleine an der Spitze eines Unternehmens, das Milliarden umsetzte.
«Elegant im Auftritt, mit dem Hang zur Perfektion, dabei ungewöhnlich willensstark und entschlossen, keine Schwäche zu zeigen, stellt Maria-Elisabeth Schaeffler vom ersten Tag an klar, dass sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt», urteilte einst der Autor und Historiker Gregor Schöllgen.
«Neben unermüdlichem Fleiß, brillanter Auffassungsgabe und eiserner Disziplin zählt zu den Managementqualitäten vor allem das Talent, die eigenen Möglichkeiten genau zu kennen. Ebenso wie deren Grenzen», schrieb der langjährige Wegbegleiter Wolfgang Reitzle zum 80. Geburtstag.
«Mutig neue Wege beschritten»
Vorstandschef Klaus Rosenfeld ist ebenfalls voll des Lobes: «Frau Schaeffler-Thumann hat die Schaeffler-Gruppe seit 25 Jahren maßgeblich geprägt. Unter Ihrer Ägide hat das Unternehmen seine Marktposition kontinuierlich ausgebaut, sich immer wieder neu erfunden und mutig neue Wege beschritten», sagte Rosenfeld einmal über die Gesellschafterin.
Schaeffler-Thumann steht aber auch für einen Drahtseilakt, der um ein Haar in einer der spektakulärsten Pleiten der Bundesrepublik hätte enden können. Zusammen mit Sohn Georg übernahm sie 2008 den deutlich größeren Autozulieferer Continental. Kurz darauf ging die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite. Schaeffler und Conti wurden gemeinsam in die davon ausgelöste Finanzkrise gerissen. Der deutsche Staat wollte nicht in den Bresche springen.
«Man kann nicht im Nerzmantel nach Staatshilfe rufen», sagte der damalige Arbeitsminister und heutige Kanzler Olaf Scholz. Schaeffler ging den Weg ohne Staat. Ein ungewöhnlicher Pakt mit Gewerkschaften, Mitarbeitern und den Banken – teilweise selbst im Strudel – sollte den Weg aus der Krise ebnen. 2015 schaffte Schaeffler den Sprung an die Börse. Bei Schaeffler-Thumans Abschied steht der Zulieferer blendend da – trotz tiefgreifender Veränderungen vor allem in der Autoindustrie.
Die Matriarchin hält sich seit Jahren aus dem operativen Geschehen heraus. In Herzogenaurach wurde sie schon länger nicht mehr gesehen. Schaeffler-Thumann lebt in Kitzbühel und ist nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes Jürgen Thumann verwitwet.
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