Der deutsche Arbeitsmarkt schlägt Kapriolen: Die Zahl der Arbeitslosen geht wegen der stotternden Konjunktur saisonbereinigt nach oben. Im März waren bundesweit 232 000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Gleichzeitig sind mit 45,6 Millionen Erwerbstätigen so viele Menschen in Beschäftigung wie kaum jemals zuvor. Der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung kam praktisch ausschließlich durch Zuwanderer überwiegend von außerhalb der EU zustande, wie die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, am Freitag sagte.
Trotz Konjunkturflaute, Inflation und politischer Unsicherheiten: Industrie, Handwerk und Dienstleister saugen weiter Fachkräfte auf wie ein trockener Schwamm das Wasser. Teilweise würden die offenen Stellen gar nicht mehr den Arbeitsagenturen gemeldet, sondern direkt neu besetzt. Um die seit Monaten höchstens leicht sinkende Nachfrage zu decken, sei Zuwanderung notwendig, sagte Nahles. «Selbst wenn wir alle inländischen Potenziale heben, wird das auch aus demografischen Gründen nicht ohne weitere Zuwanderung gehen. Wir bauchen Einwanderung sowohl von Arbeits- als auch von Fachkräften.» Arbeitsminister Hubertus Heil wies aber auch darauf hin, dass die inländischen Möglichkeiten – etwa mehr und längere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren – genutzt werden müssten.
Arbeitsverhältnisse werden individueller gestaltet
Das vom Bundeskabinett beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz sehe viele Erleichterungen, eine Vereinfachung von Verfahren und den Abbau von Schwellen für Menschen vor, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen wollten, sagte Nahles. Es bereite der Bundesagentur aber auch mehr Arbeit. So werde ein Teil der Arbeit von Botschaften und Konsulaten auf die Agentur übertragen. Die Behörde werde daher Personal einstellen müssen, um der größeren Zahl von Anträgen und Beratungen Herr zu werden. «Wir wollen diese Aufgabe gut erfüllen», sagte Nahles. «Das halten wir für eine wichtige Frage für die gesamte Gesellschaft.»
Eine weitere Auswirkung des Fachkräftemangels sei der Trend zu individuell ausgehandelten Konditionen in Arbeitsverhältnissen. «Wir beobachten, dass sich insgesamt der Arbeitgebermarkt, den wir über Jahrzehnte hatten, in einen Arbeitnehmerarbeitsmarkt verwandelt», sagte Nahles. Der Trend beginne gerade erst: Betriebe, die dringend Personal suchten, müssten genau überlegen, was sie bei Arbeitsbedingungen oder Lohn zusätzlich anbieten könnten. «Ich denke, das ist in den nächsten Jahren der Weg, den wir vielfach in Deutschland sehen werden.» Arbeitsverhältnisse würde deutlich individueller gestaltet.
Nur schwache Belebung
Insgesamt waren im März wegen einer zögerlich einsetzenden Frühjahrsbelebung 2,594 Millionen Menschen arbeitslos – 26 000 weniger als im Februar. Vor einem Jahr war die Zahl um 66 000 zurückgegangen. Verglichen mit dem März 2022 war die Zahl der Arbeitslosen um 232 000 höher. Die Arbeitslosenquote blieb stabil, liegt aber mit 5,7 Prozent um 0,6 Punkte über dem Vorjahresmonat. Die Bundesagentur griff auf Datenmaterial zurück, das bis zum 13. März zur Verfügung stand.
Die Kurzarbeit hat sich nicht mehr erhöht. Zwischen dem 1. und dem 27. März hätten Unternehmen für 50 000 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Wie viel davon in Anspruch genommen wird, ist noch nicht bekannt. Die jüngsten Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stammen aus dem Januar: In diesem Monat wurde für 140 000 Menschen konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt.
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