24. November 2024

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Bahn-Tarifstreit: Streik oder Schlichtung?

Die Planungssicherheit für den Sommerurlaub per Bahn ist weg, auch wenn der unbefristete Streik nicht kommen sollte. Erste Fahrgäste suchen Alternativen.

Für Fahrgäste wie Beschäftigte bleibt im Tarifstreit bei der Bahn nach der Kampfansage der Gewerkschaft EVG in den kommenden Wochen vieles ungewiss. EVG-Chef Martin Burkert sagte, dass er sich neben unbefristeten Streiks auch eine Schlichtung vorstellen kann. «Sollte der Arbeitgeber mit einer Schlichtungsforderung an uns herantreten, können wir schnell entscheiden», sagte er dem Bayerischen Rundfunk.

Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen hatte die EVG am Donnerstag angekündigt, ihre 110.000 Mitglieder bei der Deutschen Bahn in einer Urabstimmung über unbefristete Streiks entscheiden zu lassen. Auch Warnstreiks sind in den nächsten Wochen weiterhin möglich. Bis zu einem möglichen unbefristeten Streik dürften aber noch mindestens vier oder fünf Wochen vergehen – so lange dauert voraussichtlich die Urabstimmung.

Fahrgäste planen um

Die Aussicht auf einen unbefristeten Streik hat nach einer Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur schon jetzt Auswirkungen auf Reisepläne. Von denen, die damit rechnen, von einem längeren Streik im August betroffen zu sein, will demnach jeder Zehnte auf seine Reise verzichten, etwa jeder Achte die Fahrt verschieben. Knapp jeder Dritte will auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Ebenfalls jeder Dritte ändert seine Reisepläne jetzt noch nicht.

Ob es also wirklich zu einem unbefristeten Arbeitskampf während der Sommerferien kommt, ist trotz Urabstimmung nicht sicher. EVG-Chef Burkert sagte, die EVG werde sich einer Schlichtung nicht verwehren. «Meine Telefonnummer kennt jeder, die der Verhandlungsführung bei uns auch.» Es sei jederzeit möglich, wieder an den Verhandlungstisch zu kommen. Für einen längeren Streik im Bahnverkehr hätte nach der Yougov-Umfrage zufolge jeder Zweite kein oder kaum Verständnis.

Auch in den Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post vor einigen Monaten hatte es nach wochenlangen Verhandlungen eine Urabstimmung gegeben. Fast 86 Prozent der Befragten stimmten für unbefristete Streiks. Zwei Tage nach Bekanntgabe des Ergebnisses einigte sich die Gewerkschaft Verdi dann aber mit dem Arbeitgeber auf einen neuen Tarifvertrag – der unbefristete Streik war abgewendet.

Und das Deutschlandticket?

Bei der Bahn könnte ein längerer Streik dauerhafte Folgen haben, befürchten Fahrgastvertreter. «Wenn es zum unbefristeten Streik kommt, wird es zu massiven Kündigungen beim Deutschlandticket kommen», warnte der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Detlef Neuß. Für die Mobilitätswende weg vom Auto zur Bahn sei das kontraproduktiv. Wer im Auto sitze, werde sich bestätigt fühlen, sagte Neuß der Deutschen Presse-Agentur.

Er kritisierte zudem die Strategie der EVG: «Man war ja schon ziemlich dicht beieinander. Muss man da unbedingt über einen unbefristeten Streik noch mehr rausholen?» Dies geschehe auf dem Rücken der Fahrgäste.

Das Deutschlandticket war im Frühjahr eingeführt worden. Seit Mai erlaubt es für 49 Euro im Monat, bundesweit sämtliche Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr zu nutzen. Im Juni haben nach Branchenangaben knapp zehn Millionen Menschen das Ticket genutzt. Das Abo ist monatlich kündbar.

Bei der Deutschen Bahn hat es in der laufenden Tarifrunde zwei Warnstreiks der EVG gegeben, bei einigen Konkurrenzunternehmen auch einen dritten. Während die Deutsche Bahn einen angekündigten 50-Stunden-Ausstand im Mai vor Gericht abwenden konnte, waren beispielsweise die Unternehmen der Transdev-Gruppe davon betroffen. Entsprechend dürfte der Druck dort hoch gewesen sein, einen Abschluss zu erzielen – was dann am Dienstagmorgen passierte.

Die vereinbarte Entgelterhöhung um 420 Euro pro Monat bei 21 Monaten Laufzeit (erste Erhöhung zum 1. November um 290 Euro) plus 1400 Euro Inflationsausgleichsprämie dürfte vor allem für viele EVG-Mitglieder deutlich attraktiver rübergekommen sein als das, was bei der DB zur Unterschrift bereitlag (400 Euro mehr bei 27 Monaten Laufzeit, 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie). Die EVG-Spitze hätte es wohl nur schwer erklären können, wieso sie einem solchen Angebot zustimmt.

Die Deutsche Bahn äußerte sich am Freitag nicht weiter zum Konflikt.

Von Burkhard Fraune und Fabian Nitschmann, dpa