Ein flächendeckendes Filial- und Geldautomatennetz sowie Zinsen aufs Ersparte – dazu wollen Verbraucherschützer in Bayern, Brandenburg und Hessen die Sparkassen verpflichten. Auf Basis eines Rechtsgutachtens fordern die Verbraucherzentralen der drei Bundesländer Änderungen der jeweiligen Sparkassengesetze.
«Das Gutachten zeigt auf, dass verbraucherschützende Vorgaben in den Sparkassengesetzen der Länder möglich sind, wenn die Landespolitik es will», teilten die drei Verbraucherzentralen am Dienstag mit. In den drei beteiligten Bundesländern stehen demnächst Landtagswahlen an: in Hessen und Bayern am 8. Oktober 2023, in Brandenburg am 22. September 2024.
Eine Kernforderung der Verbraucherschützer: «Die Sparkassen müssen wieder für die Menschen da sein, so wie sie als öffentliche Institutionen einst geschaffen wurden», sagte die Vorständin der Verbraucherzentrale Bayern, Marion Zinkeler. Die Erzielung von Gewinnen dürfe daher nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebs sein.
Zum Filialnetz sagte der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg, Christian Rumpke: «Im Sinne der Teilhabe aller Menschen fordern wir die gesetzliche Festlegung einer Mindestanzahl sowie einer Verteilung von Filialen und Bankautomaten.» Wie andere Banken auch dünnen die Sparkassen seit Jahren ihr Filialnetz aus, gesprengte Geldautomaten werden oft nicht ersetzt. Dieser Trend erschwere Menschen insbesondere auf dem Land den Zugang zu Bankdienstleistungen und Bargeldversorgung, kritisieren die Verbraucherschützer. Denn nicht jeder nutze digitale Möglichkeiten.
Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hatte in der vergangenen Woche vor einer zu weitgehenden Schließung von Sparkassenfilialen gewarnt. Im Kundeninteresse sollten ein ausreichendes Filialnetz und Geldautomaten überall im Land vorgehalten werden, sagte Lange im Landtag in Potsdam. Die Sparkassen dürften «nicht über das Ziel hinausschießen und am Ende weiße Flecken beim Kundenservice hinterlassen». Lange hatte darauf hingewiesen, dass Kreise und kreisfreie Städte Träger der Sparkassen sind.
25 Millionen Sparkassen-Kunden nutzen Online-Banking
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) teilte am Dienstag mit, die Sparkassen seien selbstverständlich vor Ort erreichbar, obwohl mehr als 25 Millionen Sparkassen-Kunden Online-Banking nutzten: «Starre und kleinteilige Vorgaben in den Sparkassengesetzen, wie sie die Verbraucherschützer vorschlagen, sind kontraproduktiv. Selbst innerhalb der Länder gibt es regional große Unterschiede in den Bedürfnissen von Menschen und Mittelstand, die die Sparkassen vor Ort am besten in ihrer Geschäftspolitik berücksichtigen können.»
Wolfgang Hemmen, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen beim Ostdeutschen Sparkassenverband, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich halte es nicht für machbar im Gesetz eine Flächenpräsenz zu definieren, weil es dafür wegen der regionalen Unterschiede keinen einheitlichen Maßstab geben kann.» Das Filialnetz orientiere sich an der Nachfrage: «Wenn die Kunden in die Zweigstellen kämen, dann würden diese auch nicht geschlossen.»
Ein Dorn im Auge ist den Verbraucherschützern auch, dass etliche Sparkassen trotz der jüngsten Serie an Leitzinserhöhungen nach wie vor mit Nullzinsen auf dem Tagesgeld hantieren. Einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox zufolge gibt es bei knapp einem Viertel (24 Prozent) der Sparkassen auf dem Tagesgeldkonto nach wie vor keine Zinsen (Stand: 21.6.2023). Verivox hat die Tagesgeldkonditionen von 736 Geldhäusern in Deutschland ausgewertet. Von den 307 Sparkassen in der Auswertung boten 74 auf dem Tagesgeldkonto keine Verzinsung.
Das Sparen fördern
Ihrem gesetzlichen Auftrag, das Sparen zu fördern, würden die Institute nur gerecht, wenn sie risikofreie Anlagemöglichkeiten böten, stellte der geschäftsführende Vorstand der Verbraucherzentrale Hessen, Philipp Wendt, fest: «Diese Anlagemöglichkeiten müssen (…) positiv verzinst sein. Negativzinsen – sogenannte Verwahrentgelte – oder ein Tagesgeldzinssatz von null Prozent erfüllen diese Anforderung nicht.» Die Verbraucherschützer fordern von Sparkassen, «Einlagen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Höhe der gesetzlichen Einlagensicherung anzunehmen und zu verzinsen».
Insgesamt macht das von den drei Verbraucherzentralen in Auftrag gegebene Gutachten Spielräume für den Verbraucherschutz in den Sparkassengesetzen der Länder aus. «Verbraucherschützende Vorgaben fallen bislang (…) insgesamt eher bescheiden aus», schreibt der Verwaltungswissenschaftler Janbernd Oebbecke. Der emeritierte Professor der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster verweist auf Unterschiede zwischen den Bundesländern: «Die verschiedenen Regelungen zeigen (…), dass es eine landespolitische Bereitschaft zu Unterschieden und einen gewissen sachlichen Spielraum für verbraucherschützende Vorgaben gibt, die genutzt werden können.»
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