21. November 2024

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BGH prüft härtere Marktaufsicht bei Amazon

Wie viel Macht hat Amazon im Online-Einzelhandel? Extrem viel, meint das Bundeskartellamt - und hat den Konzern unter verschärfte Wettbewerbsaufsicht gestellt. Doch Amazon akzeptiert die Entscheidung nicht.

Amazon wehrt sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen eine Entscheidung des Bundeskartellamts, den Online-Riesen härter in die Mangel zu nehmen. Doch nach erster Einschätzung des Kartellsenats verstößt ein neues Gesetz voraussichtlich weder gegen EU-Recht noch gegen die Verfassung. Endgültig wollten die Karlsruher Richter und Richterinnen darüber später entscheiden. Es könnte sein, dass sie den Europäischen Gerichtshof zurate ziehen. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Kirchhoff verwies am Dienstag auf die «gewaltige Komplexität des Falls». Zum ersten Mal befasst sich der BGH mit der Thematik.

Hintergrund ist eine Modernisierung und Stärkung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Das Kartellamt hatte 2021 mehr Vollmachten bei Unternehmen mit marktübergreifendem Einfluss bekommen und kann ihnen Praktiken untersagen, die aus seiner Sicht den Wettbewerb gefährden. Das kann sich auch auf Märkte beziehen, auf denen die Unternehmen (noch) nicht marktbeherrschend sind. Das Kartellamt stufte Amazon vergangenes Jahr als Unternehmen mit «überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb» ein.

Nach der Reform

Anders als früher kann die Behörde nach eigener Darstellung infolge der Reform auch frühzeitig eingreifen, um Märkte offen zu halten, Innovationen zu fördern und die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher und Verbraucherinnen zu schützen. Sie kann etwa Selbstbevorzugung untersagen, also die Bevorzugung eigener Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern, das Aufrollen neuer Märkte – wenn es darum geht, die eigene Marktstellung auf neuen Märkten etwa durch Bündelangebote schnell auszubauen – sowie das Ausnutzen von Datenmacht.

Während die Google-Mutter Alphabet und der Facebook-Konzern Meta eine entsprechende Einstufung akzeptierten, legten Amazon und Apple Klage ein. Eine Besonderheit ist, dass der BGH direkt über diese Beschwerden von Unternehmen entscheidet und nicht wie sonst zunächst in erster Instanz das Oberlandesgericht Düsseldorf. Das soll ermöglichen, dass finale Gerichts-Entscheidungen früher vorliegen.

Im Fall von Amazon befand das Kartellamt im Juli 2022, der Konzern sei «zentraler Schlüsselspieler im Bereich des E-Commerce». Seine Angebote unter anderem als Händler, Marktplatz, Streaming- und Cloud-Anbieter seien zu einem digitalen Ökosystem verbunden.

Amazon sieht das anders. «Der Einzelhandelsmarkt, in dem Amazon tätig ist, ist sehr groß und ausgesprochen wettbewerbsintensiv, online wie offline», sagte ein Sprecher. Der Gesamtanteil des E-Commerce am deutschen Einzelhandelsumsatz sei für das Jahr 2022 durch den Handelsverband Deutschland auf nur 13,4 Prozent geschätzt worden. Amazon habe in Deutschland in den vergangenen elf Jahren 48,5 Milliarden Euro investiert, arbeite eng mit der lokalen Forschung zusammen und beschäftige mehr als 36.000 Menschen.

Die Anwälte argumentierten vor dem BGH vor allem, der neue Passus im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen hätte der EU-Kommission vor Inkrafttreten vorgelegt werden müssen. Zudem widerspreche er Vorgaben des europäischen Gesetzes über digitale Märkte.

Verfahren könnte sich noch hinziehen

Dem hielt ein Vertreter des Kartellamts entgegen, dass die EU beim Entwickeln dieses Gesetzes die deutsche Vorschrift schon gekannt und berücksichtigt habe. Außerdem seien die Verfahren der Behörde sehr individuell und auf konkrete Maßnahmen bezogen. Vorlagepflichtig sind aus seiner Sicht nur allgemeingültigere Regelungen.

Das Verfahren könnte sich noch eine ganze Weile ziehen, stellte Richter Kirchhoff in Aussicht. Weitere Verhandlungstermine seien möglich. Das Apple-Verfahren ist am BGH anhängig. Bei Microsoft hat das Kartellamt die Prüfung Ende März eingeleitet.

Schon vor der Gesetzesänderung hatte die Bonner Behörde damit begonnen, eine mögliche Einflussnahme Amazons auf Händlerpreise zu prüfen sowie mögliche Benachteiligungen von Marktplatzhändlern durch verschiedene Instrumente wie Vereinbarungen zwischen Amazon und Herstellern, die Dritthändler vom Verkauf von (Marken-)Produkten ausschließen könnten. Beide Verfahren wurden erweitert, nachdem das Kartellamt die marktübergreifende Bedeutung festgestellt hatte.