3. Dezember 2024

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IW-Analyse: Entlastungspakete haben teils überkompensiert

IW-Analyse: Entlastungspakete haben teils überkompensiert

Hat der Staat in der Energiekrise mehr bezahlt, als nötig gewesen wäre? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine IW-Studie. Antwort: Teilweise war es wohl zu viel des Guten. Es gibt aber auch Widerspruch.

Mit ihren Entlastungspaketen zur Abfederung der hohen Energiepreise hat der Bund einer Studie zufolge einige Haushalte finanziell mehr unterstützt, als es hierfür nötig gewesen wäre. Das ergab eine Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. So entlastet der Staat nach einer Beispielrechnung eine Familie mit zwei Kindern, die ein geringes Jahreseinkommen von 40 000 Euro brutto hat, stärker, als die Energiekosten sie belasten. Die Ergebnisse der Studie sind allerdings nicht unumstritten, ein gewerkschaftsnahes Institut kam in einer separaten Studie vor einigen Wochen zu anderen Ergebnissen.

Ein Blick auf die IW-Studie: Angenommen, dass ein Elternteil aus dem 40.000-Euro-Bruttoeinkommen-Haushalt die volle Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro von seinem Arbeitgeber und der andere Elternteil 1500 Euro bekommt. Außerdem erhält die Familie alle möglichen Entlastungsleistungen für die Jahre 2022 und 2023. In diesem Beispiel erhielte der Haushalt nach IW-Angaben in beiden Jahren zusammengerechnet 7655 Euro mehr Entlastungsleistungen als er gebraucht hätte, um die Mehrbelastungen durch die hohen Energiepreise auszugleichen.

Auch ein beispielhafter Single-Haushalt mit niedrigem Einkommen (25.000 Euro Jahresbrutto) wird überkompensiert (plus 1386 Euro), wenn er oder sie die volle Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro vom Arbeitgeber erhält. Entscheidend ist häufig diese steuerfreie Prämie, wie dieses Fallbeispiel zeigt: Schöpft der Arbeitgeber die Prämie nur zur Hälfte aus, halten sich die Be- und Entlastungen in diesem Fall in etwa die Waage. Ganz ohne die Prämie liegt der Single im Minus.

Institut: Erhebliche Streu- und Mitnahmeeffekte

Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro dürfen Arbeitgeber ihren Angestellten bis Ende 2024 auszahlen. Aber nicht jeder Arbeitgeber macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

In anderen Haushalten kann der Staat die Belastungen durch seine Maßnahmen dagegen nicht ausgleichen. Rein rechnerisch sei das etwa bei einer gut verdienenden Familie mit zwei Kindern der Fall: Bei sonst gleichen Bedingungen wie bei der oben genannten Geringverdiener-Familie und einem Jahreseinkommen von 120.000 Euro brutto bekommt die Familie in beiden Jahren 1501 Euro weniger als sie gebraucht hätte, um ihre Mehrbelastungen auszugleichen.

Das Fazit der Studien-Autoren des IW: «Trotz einer im Grundsatz angemessenen sozialen Staffelung der staatlichen Hilfen lässt sich kritisch anmerken, dass verschiedene Maßnahmen weder zielgenau noch bedarfsorientiert sind und daher erhebliche Streu- und Mitnahmeeffekte entstehen.»

Den Staat kosten die Maßnahmen in den Jahren 2022 bis 2024 der IW-Berechnung zufolge rund 240 Milliarden Euro – der Betrag könnte aber auch höher oder niedriger ausfallen, weil er etwa von der tatsächlichen Energiepreisentwicklung abhängt oder von der Zahl der Arbeitgeber, die die 3000-Euro-Prämie zahlen.

Dullien: «Es wurde nicht übermäßig entlastet»

Die drei Entlastungspakete wurden im Jahr 2022 beschlossen. Zu den Maßnahmen gehörten neben der Arbeitgeber-Prämie unter anderem die verringerte Steuer auf Diesel und Benzin, das bundesweite 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr oder die Gas- und Strompreisbremsen.

Die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hatte unlängst eine ähnliche Untersuchung vorgestellt, die etwas andere Ergebnisse hatte. Laut der Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Böckler-Stiftung gab es trotz der kräftigen staatlichen Entlastung spürbare Einbußen für große Teile der Bevölkerung. «Für die allermeisten Fälle verbleibt 2023 eine signifikante Kaufkraftlücke von 2 Prozent bis etwas über 3 Prozent des Nettoarbeitseinkommens», heißt es in der Studie.

Es gibt aber drei Ausnahmen: Der geringverdienende Single bekam netto 0,2 Prozent mehr als 2021. Das lag an einer Entlastung bei den Sozialabgaben im Niedriglohnbereich. Der Single mit hohem Einkommen und 1500 Euro Inflationsausgleichsprämie lag ebenfalls 0,2 Prozent drüber. Dies lag laut IMK an einer Steuerentlastung. Am stärksten fiel das Plus bei Menschen aus, die nur Mindestlohn bekamen, hier errechneten die IMK-Experten einen Zuwachs von 7,8 Prozent. Grund hierfür war, dass der Mindestlohn deutlich gestiegen war.

Die 13 anderen berechneten Einkommenskategorien kamen unterm Strich schlechter weg als 2021, also vor der Energiekrise. «Es wurde nicht übermäßig entlastet», sagt IMK-Studienautor Sebastian Dullien. Der Bund habe nicht nur die Ärmsten entlasten wollen, sondern auch die von den hohen Energiepreisen getroffene Mittelschicht. «Das war so beabsichtigt und wurde entsprechend umgesetzt.»

Mit Blick auf die Berechnung des IW, dass ein Single-Haushalt mit 25.000 Euro Jahresbrutto mehr als einen Ausgleich bekommt und so 1386 Euro mehr hat als zuvor, sollte er vom Arbeitgeber die volle Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro erhalten haben, sagte Dullien: «Ich habe Zweifel, dass es solche Fälle in nennenswerter Zahl gegeben hat.» Nach seiner Einschätzung ist das ein «eher theoretisches Rechenbeispiel» mit vermutlich nur wenigen Fällen in der Praxis.