Der letzte Alleininhaber des riesigen Krupp-Konzerns, Alfried Krupp (1907-1967) war NSDAP- und SS-Mitglied, im Unternehmen arbeiteten nach Schätzungen mindestens 100 000 Zwangsarbeiter. In Nürnberg wurde Krupp 1948 als Kriegsverbrecher zu langer Haft verurteilt. All diese Tatsachen sind lange bekannt – das Bild des Ingenieurs und Krupp-Managers bleibt jenseits der reinen Firmenpolitik in Beschreibungen aber vielfach blass und vage.
Das will die Krupp-Stiftung, die den Namen ihres Gründers trägt, nun ändern: Sie hat eine neue Untersuchung zur Haltung Alfried Krupps zum Nationalsozialismus in Auftrag gegeben, die auch politische Positionen und private Äußerungen einbezieht. «Wer war unser Gründer?», fragte die Kuratoriumsvorsitzende der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Ursula Gather, bei einer Pressekonferenz.
Mögliche neue Erkenntnisse
Beauftragt wurde der Marburger Historiker Eckart Conze, der zuvor eine einjährige Quellenrecherche zu dem Thema geleitet hatte. Dabei seien 14 nationale und internationale Archive für die Recherche ausgewählt worden, sagte er in Essen. Gesichtet wurden außerdem zahlreiche andere Akten etwa zu den Nürnberger Prozessen und Alfried Krupps persönlicher Nachlass unter anderem mit zahlreichen Taschenkalendern aus den NS-Jahren. Ausgewertet wurde sogar eine Akte der CIA zu Krupps Rolle in der Nachkriegszeit.
Er sehe mögliche neue Erkenntnisse etwa bei Planungen von Krupp 1942/1943 für eine Produktionsstätte in Auschwitz unter Einbeziehung von KZ-Zwangsarbeitern, sagte Conze. Dabei müsse die persönliche Beteiligung Alfried Krupps untersucht werden.
Anders als vom Unternehmen nach dem Krieg behauptet, sei kein staatlicher Druck auf Krupp ausgeübt worden, das Werk in Auschwitz zu eröffnen, so die Ergebnisse. Und schon in dieser Vorbereitungsphase hätten etwa 270 KZ-Häftlinge in Auschwitz für Krupp gearbeitet – etwa beim Transport von Maschinen in die geplante Fabrik, sagte Conze. Insgesamt sei die Zahl der Krupp-Zwangsarbeiter wohl höher gewesen als die bisher vermuteten 100.000 Menschen, heißt es im vorläufigen Bericht.
Kontakt zu 38 früheren Mithäftlingen gehabt
Neuen Forschungsbedarf sieht der Wissenschaftler auch bei der «Landsberghilfe» – benannt nach dem Gefängnis in Bayern, in dem auch Krupp inhaftiert war. Alfried Krupp habe Kontakt zu 38 früheren Mithäftlinge gehabt – nicht wenige ehemalige hohe SS-Mitglieder, die wegen Verbrechen in Konzentrationslagern verurteilt worden waren. Er habe sie nach deren Entlassung mit Geld unterstützt oder ihnen neue Jobs vermittelt.
So habe er sich beispielsweise für einen ehemaligen Lagerarzt im KZ Dachau eingesetzt. Ein früheres Mitglied einer Einsatzgruppe, der an Massenerschießungen beteiligt gewesen sein soll, habe Krupp nach dem Krieg im mittleren Management in der Chemieindustrie untergebracht.
Firmennetzwerke und Motive für die Mitgliedschaft in der SS
Über Alfried Krupps persönliches Engagement hinaus gab es laut den Forschungen auch auf Firmenebene ein weit größeres Netzwerk, an dem sich auch Firmen und Unternehmer wie Flick, Henkel oder Klöckner beteiligt hätten, sagte Conze. Zwischen 1951 und 1957 seien fast 100.000 Mark auf einem Sonderkonto eingegangen – genutzt für Lebensmittelpakete und Finanzhilfen für 183 Personen, mehr als die Hälfte davon mit SS-Hintergrund.
Ein weiteres Thema sind laut Conze Alfried Krupps Motive für die Mitgliedschaft in der SS als förderndes Mitglied bereits seit 1931. In die NSDAP soll er dagegen eher spät Ende 1938 eingetreten sein – nach einer Quelle auf direkte Anweisung Hitlers.
Stiftungsname bleibt vorerst erhalten
Kurz vor seinem Tod hatte Alfried Krupp sein Vermögen und die Firma in die gemeinnützige Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung eingebracht, die zurzeit als größte Aktionärin knapp 21 Prozent am Thyssenkrupp-Konzern hält. Die Erträge werden zur Förderung von Wissenschaft, Kunst und Kultur, Bildung, Gesundheit und Sport verwendet.
Eine Streichung Alfried Krupps aus dem Stiftungsnamen lehnte der Vorstandssprecher der Stiftung, Volker Troche, auf Nachfragen von Journalisten zum jetzigen Zeitpunkt ab. Allerdings könne «das Ganze auch kippen», räumte Troche ein. Er sei zuversichtlich, dass das nicht passiere. Dennoch: «Wenn unser Geschäft, wenn unser Auftrag der Gemeinnützigkeit gefährdet ist durch diesen Namen, muss man sich diese Frage in den Gremien stellen.»
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