24. November 2024

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Flächentarifverträge verlieren an Bedeutung – Kritik vom DGB

Flächentarifverträge regeln Bezahlung und Arbeitsbedingungen für ganze Branchen. Immer weniger Unternehmen wollen sich davon binden lassen. DGB und Wissenschaft halten das für keine gute Idee.

Die Bindung an Flächentarifverträge verliert in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Im Jahr 2022 hätten nur noch rund 43 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 33 Prozent in Ostdeutschland in einem Betrieb mit Branchentarifvertrag gearbeitet, teilte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Donnerstag auf Grundlage einer neuen Untersuchung in Nürnberg mit.

Der bundesweite Durchschnitt liege bei 41 Prozent. Nimmt man Firmentarifverträge dazu, kommt man auf einen Anteil von 52 Prozent im Westen und 45 Prozent im Osten. Ein Teil der nicht tarifgebundenen Arbeitgeber orientiert sich etwa bei der Bezahlung nur freiwillig an den Tarifbestimmungen der jeweiligen Branche. Damit gehe die Tarifbindung nach einer stabilen Phase in den Jahren 2020 und 2021 weiter zurück.

Seit 1996 sei der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit Branchentarifvertrag in Westdeutschland um 26 Prozentpunkte gesunken. In Ostdeutschland war das Niveau von Anfang an niedriger – dennoch sank es auch dort um 23 Punkte. Auch der Anteil der Betriebe, die über einen Betriebsrat verfügten, sinke und betrage nur noch 40 Prozent.

Es «bröckelt eine tragende Säule»

«Dieser Trend kann niemanden gefallen», sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. «Denn mit der Tarifbindung bröckelt auch eine tragende Säule unseres Sozial- und Wirtschaftssystems.» Die Bundesregierung müsse schnellstens umsetzen, was sie im Koalitionsvertrag versprochen habe: «Wir brauchen ein Bundestariftreuegesetz, das dazu verpflichtet, die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes künftig an die Einhaltung eines Tarifvertrages zu binden», sagte der Gewerkschafter. Tarifbindung sei auch gesamtwirtschaftlich wichtig: Dem Fiskus entgingen Einnahmen bei der Einkommensteuer in Höhe von 18 Milliarden Euro.

Nach Auffassung der IAB-Forscher sei gerade ein Betriebsrat in Zeiten der Transformation und des Fachkräftemangels von Vorteil. Betriebe mit Betriebsrat wiesen im Durchschnitt eine höhere Produktivität auf, hätten weniger Personalfluktuation und böten höhere Löhne sowie mehr Arbeitszeitflexibilität – Dinge, die derzeit als Wachstumsfaktoren in der Wirtschaft gelten.

Für das IAB-Betriebspanel werden jährlich rund 15 500 Betriebe befragt.