Beim Umbau des Stromsystems setzt die Bundesregierung vor allem auf erneuerbare Energien aus Wind und Sonne – für «Dunkelflauten» aber sollen neue Wasserstoff- und Gaskraftwerke gebaut werden. Um staatliche Anreize dafür zu setzen, plant Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) eine Kraftwerksstrategie.
Beihilfen müssen von der EU-Kommission genehmigt werden. Habeck und die Kommission einigten sich nun auf «Leitplanken», wie das Wirtschaftsministerium am Dienstag in Berlin mitteilte. Habeck sprach in Hamburg von einem «politischen Durchbruch» auf dem Weg zu CO2-freien Kraftwerken. Geplant seien Investitionskostenzuschüsse.
Ein erster wichtiger Schritt
Die mit der Europäischen Kommission erzielten Fortschritte seien ein erster wichtiger Schritt – auch wenn dies nicht bedeute, dass die beabsichtigten Maßnahmen bereits beihilferechtlich genehmigt worden seien, so das Ministerium. Der nächste Schritt sei eine Konsultationsphase, die Ende des Sommers beginnen solle. Dann solle auch das Beihilfeverfahren bei der EU-Kommission fortgesetzt werden.
Ziel der Bundesregierung ist es, dass 80 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland im Jahr 2030 aus erneuerbaren Quellen kommt, derzeit ist es etwas mehr als die Hälfte.
Es gebe immer wieder Phasen, wo Wind und Sonne nicht ausreichten, so Habeck. Dann sollten «steuerbare» Kraftwerke als «Backup» einspringen, um die Stromnachfrage zu decken. Die Versorgungssicherheit werde immer an oberster Stelle stehen.
Rahmen für nationale Kraftwerksstrategie
In Fällen von «Dunkelflauten» müssten Kraftwerke mit großer Kapazität sofort in den Markt rein, wie Habeck deutlich machte. Dieses Geschäftsmodell müsse sich rechnen. Laut Ministerium bilden die Fortschritte mit der EU-Kommission den Rahmen für eine nationale Kraftwerksstrategie. Diese hat Habeck seit längerem angekündigt.
Für den Bau der neuen Kraftwerke sind laut Ministerium Ausschreibungen geplant, das günstigste Gebot für die gleiche Technik soll den Zuschlag bekommen. Konkret sollen 8,8 Gigawatt an neuen Kraftwerken ausgeschrieben werden, die von Beginn an mit Wasserstoff betrieben werden.
Bis 2035 sollen bis zu 15 Gigawatt an Wasserstoffkraftwerken ausgeschrieben werden, die vorübergehend mit Erdgas betrieben werden können – bis sie an das Wasserstoffnetz angeschlossen sind. Dazu kämen Biomethan- und Biomassekraftwerke sowie Speicher, so Habeck. Beginnend im nächsten Jahr sollten insgesamt bis zu 30 Gigawatt neue zusätzliche Kraftwerkskapazitäten ausgeschrieben werden.
Investitionskostenzuschüsse im Milliardenbereich
Die Investitionskostenzuschüsse für die neuen Kraftwerke dürften sich im Milliardenbereich bewegen. Zudem dürften fossile Kraftwerke wegen der steigenden CO2-Bepreisung zunehmend unrentabler werden.
Details der Förderung stehen noch nicht fest. Laut Habeck wird auf «grünen» Wasserstoff abgezielt, der auf Basis erneuerbarer Energien produziert wird. Aber besser als Erdgas oder Kohle sei auch «blauer» Wasserstoff, so der Minister. Davon spricht man, wenn das bei der Herstellung aus fossilen Energieträgern anfallende Kohlendioxid aufgefangen und unterirdisch gespeichert wird, etwa in früheren Gas- und Öllagerstätten. Die Kraftwerke hätten auch die Möglichkeit, «blauen» Wasserstoff zu nehmen, der beispielsweise aus Norwegen importiert werde, so Habeck.
Die Energiebranche begrüßte die Grundsatzeinigung Habecks mit der EU-Kommission. Sie wartet seit langem auf die Kraftwerksstrategie und Anreize, um investieren zu können.
Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae, sagte: «Wichtig ist jetzt, weiter Tempo zu machen.» Die Einigung auf zentrale Komponenten und Leitplanken sei noch keine rechtssichere Grundlage für zeitnah zu treffende Investitionsentscheidungen. Noch nicht geklärt sei die Frage, wie die Förderungen konkret ausgestaltet seien.
Details der Ausschreibungen noch offen
Der Vorstand des Lobbyverbands Zukunft Gas, Timm Kehler, sagte, die Details der Ausschreibungen müssten nun rasch ausgearbeitet werden. Ohne den Bau neuer Kraftwerke fehlten bis 2030 geregelte Stromerzeugungskapazitäten von mindestens 15 Gigawatt. «Wir können uns daher keine weitere Verzögerung leisten, der angepeilte Kohleausstieg für 2030 wird sonst immer schwerer realisierbar.» Der FDP-Energiepolitiker Konrad Stockmeier sagte, der Kohleausstieg könne ohne den massiven Zubau von flexiblen «H2-ready-Gaskraftwerken» nicht kommen.
Für das Rheinische Revier hatten sich die Bundesregierung und der Energiekonzern RWE auf einen um acht Jahre auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg verständigt. Habeck will das auch für die ostdeutschen Braunkohlereviere, dagegen aber gibt es Widerstand.
RWE hatte kürzlich angekündigt, am Kraftwerksstandort Weisweiler bis 2030 ein Gaskraftwerk zu bauen, das auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Das Kraftwerk soll eine Leistung von 800 Megawatt haben. Der Vorstandsvorsitzende der Erzeugungsgesellschaft RWE Power, Roger Miesen, hatte zugleich gesagt: «Nur wenn die Wasserstoff-Netzanbindungen gesichert sind und ein wirtschaftlicher Betrieb der Kraftwerke durch passende Rahmenbedingungen ermöglicht wird, können wir finale Investitionsentscheidungen treffen.»
Ähnliche Beiträge
Italien erwartet 6,5 Millionen Urlauber aus Deutschland
Die Bahn braucht Milliarden – Wo soll das Geld herkommen?
Weltkriegsbombe nahe Tesla-Werk erfolgreich gesprengt