Die Windkrafttochter Gamesa hat Siemens Energy so tief wie noch nie in die roten Zahlen gezogen. Im dritten Geschäftsquartal steht beim Energietechnikkonzern mit Sitz in München unter dem Strich ein Verlust von gut 2,9 Milliarden Euro, wie er am Montag mitteilte. Es ist das mit Abstand größte Minus, das in der kurzen Geschichte des Konzerns bisher aufgelaufen ist. Schuld sind vor allem Probleme bei Gamesa und ein durch sie ausgelöster negativer Steuereffekt. Im gesamten Geschäftsjahr erwartet Energy nun sogar 4,5 Milliarden Euro Verlust – auch das ein Rekord. Ein Überblick über die Lage bei Energy:
Die Probleme
Der größte Posten – hier geht es um rund 1,6 Milliarden Euro, wie Energy nun konkretisierte – sind Qualitätsmängel bei Windturbinen an Land. Diese können dadurch häufiger ausfallen. Noch ist das selten, wie es bei Energy heißt, doch die Reparaturen, die dies verhindern sollen, werden vor allem in den nächsten beiden Jahren viel Geld kosten. Weil dafür Rückstellungen gebildet werden, drückt die Summe aber bereits jetzt auf das Ergebnis.
Hinzu kommen auch Probleme beim Offshore-Geschäft. Hier leidet Energy unter alten, unprofitablen Verträgen und Problemen beim Hochfahren seiner Produktion. Die Belastungen daraus betragen rund 600 Millionen Euro.
Die Belastungen lösen zudem einen negativen Steuereffekt aus, wie Finanzchefin Maria Ferraro erklärte. Er drückt mit weiteren 700 Millionen Euro auf das Ergebnis.
Offene Fragen
Energy hatte die erneuten Schwierigkeiten beim Sorgenkind Gamesa bereits Ende Juni öffentlich gemacht. Damals war der Konzern aber an vielen Stellen noch vage geblieben. So wurden die Belastungen damals mit mindestens einer Milliarde angegeben.
Auch jetzt gab es noch nicht auf alle Fragen Antworten. Bis wann Energy hofft, in die Gewinnzone zu kommen, will Konzernchef Christian Bruch erst im November beantworten. Vor einiger Zeit stand dieses Ziel noch für das kommende Jahr in der Prognose.
Die Ursachen
Unter anderem gibt es Defizite bei Lagern und Rotorblättern. So könnten in den Lagern Partikel auftreten und bei den riesigen Rotorblättern komme es teilweise zu kleinen Falten, wie Gamesa-Chef Jochen Eickholt erklärte. Zumindest teilweise sieht Energy hier auch Zulieferer in der Verantwortung. Mit einigen sei die Zusammenarbeit beendet worden, sagte er, teilweise werde auch über Entschädigungen diskutiert. Allerdings ist die Haftung von Zulieferern häufig in der Höhe begrenzt – und auf jeden Fall kleiner als der Schaden, wie Eickholt erklärte.
Beim Hochlauf der Produktion für Offshoreanlagen kommt Gamesa nicht so schnell voran, wie gewünscht. Einerseits geht es dabei um den Aufbau der Fabriken, andererseits um die Suche nach Mitarbeitern.
Zudem ließen sowohl Games-Chef Eickholt als auch Konzernchef Christian Bruch durchblicken, dass in der Windbranche zu sehr auf Geschwindigkeit gesetzt worden sei. «Man muss sich fragen, wie schell kann so ein Geschäft wachsen», sagte Bruch. Offenbar will er nun etwas langsamer vorgehen: Die Abfolge für Gamesa sei Stabilisierung, Profitabilität, Wachstum.
Die neuen Turbinen der problematischen Baureihen, die inzwischen ausgeliefert werden, sind laut Eickholt robuster. Komplett ausschließen ließen sich technische Risiken im Anlagenbau aber nicht.
Der Rest des Konzerns
Jenseits von Gamesa lief es für Energy deutlich besser. Die drei anderen Bereiche, Gas Services, Grid Technologies und Transformation of Industry konnten ihre Ergebnisse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbessern. Und auf Konzernebene legten auch Auftragseingang und Umsatz zu. Die Leistung der übrigen Geschäftsbereiche gebe ihm «Vertrauen in die Fähigkeit unseres Unternehmens, Geschäfte wieder wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen», sagte Bruch.
Das Muster zeigt sich bereits seit einigen Jahren. Hatten bei der Abspaltung von Siemens und dem Börsengang von Energy im Jahr 2020 noch viele das herkömmliche Geschäft mit Anlagen für fossile Energieträger als Problem gesehen, ist es seit einiger Zeit immer wieder Gamesa, das für Probleme und Gewinnwarnungen sorgt. In Folge hat Energy noch kein Geschäftsjahr und nur wenige Quartale mit einem Gewinn abgeschlossen.
Der Ausblick
Um das Sorgenkind besser in den Griff zu bekommen, hat Energy seine Windkrafttochter, die lange Zeit nur eine Mehrheitsbeteiligung war, inzwischen komplett übernommen. Daran, ob und wie schnell die Probleme nun gelöst werden, dürfte dabei auch die Zukunft von Konzernchef Bruch hängen.
Die Aktie legte am Montag eine Achterbahnfahrt hin. Am Morgen büßte sie zunächst bis zu 7 Prozent ein, drehte dann vorübergehend deutlich ins Plus, bevor sie am späten Vormittag wieder mit Abschlägen gehandelt wurde.
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