Winzer Florian Lauer von der Saar ist überglücklich. Womit er juristisch bisher keinen Erfolg hatte, macht jetzt eine neue EU-Vorschrift möglich: Sekt darf ohne Folienkapsel am Flaschenhals verkauft werden. Viele große Sekthersteller sind skeptisch.
«Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Schaumwein von außen sofort an der charakteristischen Schaumwein-Glasflasche und der Umkleidung des Flaschenhalses mit einer Folie erkennen», stellt Oliver Hennes vom Verband Deutscher Sektkellereien fest. Dies könne sich mit der neuen EU-Vorschrift ändern. «Ein Vorteil ist die größere optische Vielfalt am Markt, da die Designmöglichkeiten der Aufmachung größer werden.» Dem Verband, der für 95 Prozent der Sektherstellung in Deutschland stehe, sei es aber wichtig, «dass die traditionelle und als Qualitätsmerkmal von Verbraucherinnen und Verbrauchern gelernte Schaumweinausstattung» eine Orientierungshilfe bleibe.
«Die Sektkapsel gehört seit jeher zum optischen Merkmal von Qualitätsschaumweinen», sagt auch Angelina Demeuth von der Henkell&Co Sektkellerei in Wiesbaden. Der Beschluss der EU-Kommission biete nun zusätzliche Möglichkeiten in der Gestaltung des Designs.
Probleme durch Lieferengpässe
Volker Raumland vom gleichnamigen VDP-Sektgut in Flörsheim-Dalsheim nennt die Entscheidung «zeitgerecht». Sie helfe, künftig flexibler reagieren zu können. «Die Verpflichtung eine Sektkapsel anzubringen, hat früher durchaus Sinn gemacht, um Schaumweine in traditioneller Flaschengärung von anderen Produkten unterscheiden zu können – zum Schutz des Schaumweines gegenüber günstigeren Perlweinen.»
In der Vergangenheit habe Raumland aber mitunter bis zu zwei Jahre auf seine Sektkapseln warten müssen, etwa aufgrund von Lieferengpässen bei den Materialien. «Einer der größten Kapsellieferanten hatte seinen Sitz in der Ukraine.» Die Produktion sei dort nach dem Beginn des Angriffskrieg Russlands zum Stillstand gekommen. «All dies hatte zur Folge, dass wir mit dem Verkauf von einigen Sekten teilweise pausieren mussten beziehungsweise eine einfache neutrale Kapsel verwenden mussten.»
Sein Haus werde allein aus Nachhaltigkeitsgründen bei einigen Produkten wie seinen Sekten nach der sogenannten Méthode Ancestrale die Kapsel weglassen, kündigt Raumland an. Nun könne darüber nachgedacht werden, welche anderen Sekte künftig keine Kapsel mehr tragen. «Wichtig bleibt jedoch: der Verschluss der Sektflasche muss sicherstellen, dass es zu keiner „Gefahr“ bei der Lagerung oder Öffnung der Flasche kommt», betont er. «Das richtige Anbringen der Agraffe – das Metallplättchen mit Metalldraht – stellt sicher, dass der Kork nicht ohne Weiteres herausploppen oder entweichen kann.»
DWI: EU-Regelung hilft bei Kosteneinsparungen
Das Deutsche Weininstitut (DWI) begrüßt die EU-Regelung. Es sei sinnvoll, künftig aus betrieblichen Gründen, um Kosten zu sparen und Abfall zu vermeiden, auf die Verwendung von Kapselfolien für Sektflaschen verzichten zu können, wenn die Mitgliedsstaaten und Erzeuger dies so festlegten, sagt DWI-Sprecher Ernst Büscher.
Anne Schmidt von den Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien in Eltville betont: «Unabhängig von den EU-Vorschriften zur Schaumweinausstattung arbeiten wir laufend daran, die Ausstattung und Verpackung unserer Produkte, zu denen auch die Kapsel gehört, zu optimieren.»
Lauer von der Saar ist «unheimlich froh über die Hilfe von politischer Seite aus der EU» und einen Antrag aus Italien, «der Bewegung in die Sache gebracht hat». Dabei sei es um die Frage gegangen, ob die Folie beim Export in Ländern außerhalb der EU weggelassen werden dürfe. In Deutschland hätten weder das Wirtschaftsministerium noch die Grünen sein Anliegen unterstützt, sagt Lauer enttäuscht. Vor dem Verwaltungsgericht Trier hatte er vor rund zwei Jahren – unterstützt von Gleichgesinnten – erfolglos versucht, den Verkauf von Sektflaschen ohne Folie durchzusetzen.
«Furchterregender Plastikstopfen mit Bügelagraffe»
Nach der EU-Entscheidung fühlt er sich ein wenig wie David, der gegen Goliath gewonnen hat. Denn er selbst fülle nur rund 15.000 Flaschen Schaumwein pro Jahr ab, die fast 70 Winzer, die sein Anliegen unterstützten, zusammen schätzungsweise eine der einige Hundert Millionen Flaschen in Deutschland. «Der juristische Weg ist sehr lang und unheimlich teuer», sagt Lauer. Die Revision vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz sei zwar zugelassen und er habe eigentlich bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gehen wollen – aber der Klageweg sei jetzt hoffentlich überflüssig.
«Warum sollten wir eine nicht-recyclebare Folie einsetzen?», fragt Mosel-Winzer Stephan Steinmetz, der sich wie Lauer für Flaschen ohne Kapsel stark macht. Den Winzern gehe es aber nicht ausschließlich um Umweltschutz, sagt Lauer, sondern auch um die unnötigen Kosten für die Folien. Und um die Optik, die Präsentation des handwerklichen Produkts mit Naturkorken und attraktiv gestalteten Agraffen-Plättchen. Diese sähen ja ganz anders aus als mancher «furchterregender Plastikstopfen mit Bügelagraffe».
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