24. November 2024

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Viele berufstätige Mütter mit «unfreiwilliger Teilzeit»

Ob Gastronomie, Handwerk oder Industrie - Fachkräfte sind gesucht. Experten sehen in einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen eine Chance. Doch viele Mütter stecken in der Teilzeitfalle.

Der Mangel an Fachkräften in Deutschland ist groß. Zwar sind inzwischen mehr Mütter erwerbstätig als noch vor einigen Jahren. Doch viele arbeiten in Teilzeit. «Das ist ein Punkt beim Thema Fachkräftemangel, bei dem man ansetzen müsste», sagt Stefan Sauer vom Ifo-Institut. Nach Einschätzung des Arbeitsmarktexperten Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stecken viele Frauen mit Kindern in der Teilzeitfalle.

Nach am Mittwoch veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes waren im vergangenen Jahr 69 Prozent der Mütter minderjähriger Kinder erwerbstätig. Das ist ein Anstieg um 9 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2005. Die Erwerbstätigkeit von Vätern legte im selben Zeitraum von 88 Prozent auf 92 Prozent zu. Bei der Mehrheit der Paare arbeiteten beide Elternteile (66 Prozent). Bei 26 Prozent war allein der Vater verantwortlich für den Lebensunterhalt, bei rund 3 Prozent die Mutter.

Brachliegende Potentiale

Viele Mütter arbeiten allerdings nach wie vor in Teilzeit, während Väter einen Vollzeitjob haben. Im vergangenen Jahr traf dies auf 65 Prozent der Paare zu. Bei lediglich 2 Prozent der erwerbstätigen Elternpaare arbeitete die Mutter in Vollzeit und der Vater in Teilzeit. In den anderen Fällen hatten entweder beide Vollzeitjobs (27 Prozent) oder beide waren in Teilzeit tätig (5 Prozent).

Dabei sucht die Wirtschaft händeringend nach Personal. Laut Ifo-Institut litten im Juli 43,1 Prozent der bundesweit befragten rund 9000 Firmen unter Engpässen an qualifizierten Arbeitskräften. «Trotz schwächelnder Konjunktur sind viele Unternehmen weiterhin händeringend auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitenden», sagte Ifo-Experte Sauer.

Das IAB sieht in einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen einen Faktor, um den Arbeitskräftemangel abzufedern, der sich als Folge des demografischen Wandels weiter verschärfen dürfte. «Um höhere Frauenerwerbsquoten zu realisieren, muss die formal ja schon bestehende Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt besser als bisher umgesetzt werden», heißt es in einer IAB-Studie.

Die Kindebetreuung muss ausgebaut werden

Die Praxis sieht bislang anders aus: «Bei vielen Müttern, die die Arbeitszeit reduziert haben, geht es danach beruflich nicht mehr voran, das ist das eigentliche Potenzial, das brach liegt», sagt Weber. Familiäre Verpflichtungen – Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen – sind aus seiner Sicht der Hauptgrund für «unfreiwillige Teilzeit» gerade von Frauen. Abhilfe könnte eine bessere staatliche Infrastruktur bei Kinderbetreuung und Pflege schaffen. Auch Sauer hält einen Ausbau der Kinderbetreuung für notwendig.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge nannten im vergangenen Jahr 33,5 Prozent der Frauen in Teilzeit die Betreuung von Kindern oder anderen Angehörigen sowie sonstige familiäre Verpflichtungen dafür als Gründe, aber gerade einmal 8,0 Prozent der Männer.

Nach Einschätzung Webers sind auch die Arbeitgeber gefragt. Sie sollten soweit es geht flexiblere Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten ermöglichen. «Bei einem Vollzeitjob mit einem starren Schichtplan mit Anwesenheitspflicht lässt sich Betreuung kaum organisieren», sagt der Arbeitsmarktexperte.

Hinzu kommt: Das aktuelle Ehegattensplitting bietet Experten zufolge keine Anreize, dass Frauen mit minderjährigen Kindern mehr oder überhaupt arbeiten. Das müsse sich dringend ändern, forderte Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen unlängst im Infosender BR24. Seiner Beobachtung nach ist das traditionelle Familienbild – der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um zwei bis drei Kinder – überholt: «Solche Paare gibt es nicht mehr so oft in Deutschland», sagte Peichl.

Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame Einkommen eines Paares halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient.

Von Friederike Marx, dpa