Der Einzelhandel hat im Corona-Krisenjahr 2020 ein Rekordumsatzplus erzielt, dennoch sind die Sorgen vieler Händler groß.
Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes stiegen die Erlöse bereinigt um Preiserhöhungen (real) insgesamt um rund 4,1 Prozent. Nominal gab es ein Plus von rund 5,3 Prozent. Nach Angaben der Wiesbadener Behörde war es jeweils der höchste Zuwachs seit Beginn der Zeitreihe 1994.
Vor allem der Onlinehandel boomte, auch Lebensmittelhändler sowie Möbel- und Heimwerkermärkte machten gute Geschäfte. Der Textilhandel stürzte dagegen tief in die Krise. Das geht aus den Zahlen für die ersten elf Monate hervor.
Demnach legten die Umsätze der Versand- und Internethändler gegenüber dem Vorjahreszeitraum preisbereinigt (real) kräftig um 23,4 Prozent zu. Textilanbieter mussten dagegen mit einem Umsatzeinbruch von 21,5 Prozent zurechtkommen. Allein im November verzeichnete der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren ein Minus von 20 Prozent. Von dem im November noch erlaubten Verkauf im Geschäft profitierten sie trotz des beginnenden Weihnachtsgeschäfts offensichtlich weniger als erhofft.
Nach einem Bericht des Fachmagazins TextilWirtschaft (dfv Mediengruppe) verloren Modehandelsunternehmen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr knapp ein Drittel ihrer Erlöse. Mit diesem historisch hohen Umsatzminus hat sich der Abschmelzungsprozess des stationären Modehandels massiv beschleunigt. Zuletzt hatte es im Jahr 2010 einen positiven Jahresabschluss gegeben, seitdem schrumpft der Markt Jahr für Jahr.
Gefragt waren bei den Kundinnen und Kunden in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres auch Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und Baubedarf – mit einem Umsatzzuwachs von 6,0 Prozent (November: plus 15,4 Prozent). Der Umsatz von Lebensmitteln und Getränken legte im November zwar lediglich um 0,8 Prozent zu, wuchs aber in den ersten elf Monaten um 5,1 Prozent.
Mitte Dezember waren die Beschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wegen steigender Infektionszahlen verschärft worden. Viele Geschäfte sind seitdem geschlossen.
Laut einer aktuellen HDE-Umfrage unter mehr als 700 Unternehmen, fürchten knapp zwei Drittel der Innenstadthändler um ihre Existenz. «Für viele Händler ist es schon kurz nach zwölf», sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth am Montag. Allein in der vergangenen Woche habe der vom Lockdown betroffene Einzelhandel rund fünf Milliarden Euro Umsatz verloren. Im gesamten Jahr 2020 seien es rund 36 Milliarden Euro.
Der Handel fühlt sich in der Krise alleingelassen. «Die Lage ist wirklich sehr ernst», erklärte Genth. «Bundesfinanzminister Olaf Scholz kündigt zwar immer Milliardenhilfen an, tatsächlich kommen die Hilfen aber nicht zur Auszahlung, weil die Zugangshürden viel zu hoch sind.» In den nächsten Monaten drohe eine Insolvenzwelle im Einzelhandel. Viele Unternehmen, die von dem zweimaligen Lockdown betroffen seien, hätten ihr Eigenkapital weitgehend aufgezehrt und benötigten jetzt wirtschaftliche Unterstützung. Andernfalls drohe das Aus «für bis zu 50.000 Geschäfte».
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