23. November 2024

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Energiebranche warnt vor neuen Preissprüngen

Vor einem Jahr holte die Ampel in der Energiekrise zu einem «Doppelwumms» an Maßnahmen aus - er zeigte Wirkung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Gegenwärtig wird nun wieder um Entlastungen gestritten.

Ein Jahr nach den als «Doppelwumms» bekannt gewordenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Entlastung der Kunden warnt die Energiebranche vor neuen Preissprüngen.

Zwar hätten sich inzwischen die Preise stabilisiert und das komme bei den Kundinnen und Kunden an, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Deutschen Presse-Agentur. Das dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass aufgrund der geopolitischen Entwicklungen erhöhte Risiken bestehen.

«Eine vorschnelle Rücknahme der Entlastungen könnte dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mitten in der Heizsaison von neuen Preissprüngen getroffen werden.»

Der «Doppelwumms» der Regierung

Rückblick: Als Folge vor allem des russischen Angriffskriegs in der Ukraine waren 2022 die Energiepreise stark gestiegen. Russland verringerte Gasimportmengen nach Deutschland deutlich. Das brachte Importeure wie Uniper in eine bedrohliche Schieflage. Um sie zu retten, plante die Regierung eine milliardenschwere Gasumlage, die alle Gaskunden zahlen sollten – das aber war heftig umstritten.

Am 29. September 2022 kippte die Regierung die Umlage. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte einen «Abwehrschirm» zum Dämpfen der stark gestiegenen Energiepreise an – mit einem Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro, der aber voraussichtlich bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Zum einen ging es um eine staatliche Stützung der Energieversorgung, zum anderen um Energiepreisbremsen.

«Man kann sagen, das ist hier ein Doppelwumms», sagte Scholz damals. Er erinnerte dabei an seinen Ausspruch zu staatlichen Hilfen in der Coronakrise – dass es darum gehe, mit «Wumms» aus der Krise zu kommen.

Importeure wie Uniper wurden mit staatlichen Milliarden gerettet. Die Energiepreisbremsen kamen, dafür reaktivierte die Bundesregierung den in der Pandemie eingerichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).

Die Wirkung vom «Doppelwumms»

«Der Bundesregierung ist es im Schulterschluss mit der Energiebranche gelungen, Versorgungssicherheit zu gewährleisten», sagte Andreae. Unternehmen, die viele Jahre lang Gas aus Russland importiert hätten und die von einem Tag auf den anderen ausbleibende Gaslieferungen ersetzen mussten, um zum Beispiel Stadtwerke und die Industrie in Deutschland zu versorgen, seien gestützt worden. «Damit konnte die Beschaffung sichergestellt und ein Domino-Effekt vermieden werden.»

Strom und Erdgas sind für Haushalte in den vergangenen zwölf Monaten im Durchschnitt deutlich günstiger geworden, wie es jüngst bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hieß. Die Preisdeckel der Energiepreisbremsen würden damit deutlich unterschritten. Sie liegen für Privathaushalte für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent, jeweils je Kilowattstunde.

Strommarktexperten rechnen in der nächsten Zeit nicht mit großen Preisausschlägen. Bei Erdgas sehen Experten größere Unwägbarkeiten. So seien die Großhandelspreise im kommenden Winter vom LNG-Angebot im Weltmarkt, der Verfügbarkeit von Pipeline-Gas sowie der Temperaturentwicklung, aber auch von der Einsparung durch Industrie und Haushalten abhängig, sagte Enervis-Gasmarktexperte Sebastian Gulbis. In einem besonders kalten Winter könnten erneut hohe Preise auftreten.

Bundesregierung ringt um Weg

Die Bundesregierung hatte als eine weitere Maßnahme im vergangenen Jahr den Mehrwertsteuersatz für Gas vorübergehend von 19 auf 7 Prozent gesenkt und Gas so billiger gemacht. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aber plant, dass diese Sonderregelung drei Monate früher als geplant bereits zum Jahreswechsel auslaufen soll – das ist auch innerhalb der Koalition umstritten. Im Zuge der Beratungen über den Bundeshaushalt 2024 könnte es noch Änderungen geben.

Das Finanzministerium begründete den Schritt damit, dass sich die krisenbedingten Preisspitzen an den Gasmärkten inzwischen gelegt hätten. Es sollten zudem «Spielräume für die öffentlichen Haushalte» geschaffen werden.

Die Koalition debattiert seit Wochen darüber, wie Firmen angesichts der im internationalen Vergleich hohen Energiepreise entlastet werden sollen. Diskutiert wird über einen Industriestrompreis für besonders energieintensive Firmen oder eine Senkung der Stromsteuer – beides würde Milliarden kosten. Eine Öffnung des WSF zur Finanzierung lehnt die FDP ab, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen.

Die Grünen und die SPD-Fraktion wollen zur Finanzierung des Industriestrompreises nicht genutzte Kreditermächtigungen aus dem WSF nutzen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums wurden für die Gaspreisbremse mit Stand Mitte September bisher rund 9,6 Milliarden Euro ausgezahlt. Für die Strompreisbremse seien mit Stand vom 22. September rund 10,8 Milliarden Euro verausgabt worden. Die FDP lehnt eine Öffnung des WSF strikt ab, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen.

Ende der Energiepreisbremsen

Die Energiepreisbremsen laufen am 31. Dezember 2023 aus, eine Verlängerung maximal bis zum 30. April 2024 aber ist im Gesetz angelegt. Dafür haben sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und auch Lindner stark gemacht. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es, man sei wegen der Verlängerung im Austausch mit der EU-Kommission. «Wenn die Preise nicht so extrem steigen, braucht man sie nicht. Aber wenn doch die Preise steigen sollten, da dieser Winter noch als kritisch von der Bundesnetzagentur eingeschätzt wird, ist die Absicherung auch im kommenden Winter noch da.»

Andreae sagte: «Nach dem schwierigen vergangenen Winter ist es wichtig, den Energiekundinnen und -kunden Stabilität und Sicherheit bei den Energiepreisen zu signalisieren», sagte Andreae. Das gelinge am besten, wenn die befristeten Mehrwertsteuersenkungen auf Gas und Wärme synchron mit den Energiepreisbremsen erst zum 31. März 2024 ausliefen. Es brauche eine schnelle Entscheidung.

Von Andreas Hoenig, dpa