21. November 2024

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Metall-Tariffuchs Jörg Hofmann geht

Der scheidende IG-Metall-Chef Hofmann hat viele Tariferfolge erzielt. Doch bei einem besonders umstrittenen Thema sieht er die Gewerkschaft noch für längere Zeit nicht am Ziel.

Der noch amtierende IG-Metall-Chef Jörg Hofmann begeht dieser Tage viele Abschiede. Aller Voraussicht nach wird am Montag seine bisherige Stellvertreterin Christiane Benner als erste Frau an die Spitze der mächtigen Gewerkschaft gewählt, während für den 67-jährigen Tarifexperten ein noch ungewisser Abschnitt beginnt. Seiner Nachfolgerin hinterlässt Hofmann den unvollendeten Kampf um weitere Arbeitszeitverkürzungen. Die 32-Stunden-Woche konnte der studierte Ökonom in seinen acht Jahren Amtszeit auch wegen der Corona-Krise nicht durchsetzen. Doch erste Weichen sind gestellt. In der Stahlindustrie wird sie zurzeit bereits gefordert.

Hofmann ist das Bohren dicker Bretter gewohnt. Als Werkzeug dienten ihm dabei stets Tarifverträge – direkte Abkommen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern, bei dem der Staat nichts mitzureden hat. Altersteilzeit, Arbeitszeitkonten, Sonderregeln für ertragsschwache Unternehmen im «Pforzheimer Abkommen», eine komplett neue Entgeltsystematik für die gesamte Metall- und Elektroindustrie oder die tarifliche Absicherung von Leiharbeitern standen schon auf der Habenseite des früheren Stuttgarter Bezirksleiters, bevor er nach Frankfurt zum Vorstand zog.

Detailfest bis -versessen

Seitdem geht es Hofmann neben Geld und Arbeitszeit vor allem um Qualifizierung, damit die Beschäftigten den Wandel ihrer Industrien durch Digitalisierung und Dekarbonisierung möglichst im Job überstehen. Zudem hat das Normalarbeitsverhältnis mit Achtstundentag aus Sicht der Gewerkschaft ausgedient. Zeitgleich wird die klassische Teilzeit infrage gestellt, weil sie zur Karrierefalle insbesondere für viele Frauen geworden ist.

In Tarifverhandlungen gilt Hofmann als detailfest bis -versessen, als einer, der noch die allerletzte Stelle in seinen schier endlosen Excel-Tabellen nachrechnet. Entsprechend komplex fiel seine erste Antwort in der Arbeitszeitfrage aus, die 2018 in einen Tarifvertrag mündete. Mit dem neuartigen Tariflichen Zusatzgeld (T-Zug) öffnete sich für viele Metallbeschäftigte die Möglichkeit, zwischen Geld und Freizeit zu wählen und so für sich die kürzere Arbeitszeit schon einmal zu sichern.

Die von den Arbeitgebern wegen des wachsenden Fachkräftemangels hart kritisierte Vier-Tage-Woche sollte nach Hofmanns Einschätzung dennoch das «neue Normal» werden. In der Stahlindustrie müsse sie wegen des sinkenden Arbeitsvolumens schnell kommen. In den übrigen Branchen stehe sie «nicht heute oder morgen» auf der Tagesordnung, sei aber das Ziel der IG Metall, sagte er kürzlich in einem Interview.

Enge Beziehungen zur Politik

Hofmanns Beziehungen in die Politik sind eng und belastbar. Bereits vor einigen Jahren zog der Württemberger nach Berlin und will dort in Ruhe abwarten, was nach seiner Demission auf ihn zukommt. Auch sein Amt als Vizevorsitzender des VW-Aufsichtsrats wird der geschiedene Vater einer Tochter wohl an seine Nachfolgerin Benner abgeben.

Der frühere Arbeitsminister und heutige Kanzler Olaf Scholz erinnert an die enge Zusammenarbeit in der Finanzkrise 2008/2009, als er gemeinsam mit Hofmann und dessen Mentor Berthold Huber wirksame Kriseninstrumente wie ausgedehntes Kurzarbeitergeld und Abwrackprämie auf den Weg gebracht habe. Über seinen SPD-Genossen Hofmann sagt Scholz: «Seine Triebfeder ist immer Gerechtigkeit – Gerechtigkeit für die Beschäftigten und für unsere Gesellschaft insgesamt.»

Auch mit den sozialdemokratischen Scholz-Nachfolgern Andrea Nahles und Hubertus Heil arbeitete Hofmann in vielen sozialpolitischen Details und Gesetzgebungsverfahren eng zusammen. «Manchmal war ich mir sicher: Er kannte sie im Detail besser als mein eigenes Haus», sagt Nahles im Rückblick. Wenn es sein musste, hat sich die IG Metall unter Hofmann auch eindeutig auf die Seite der Unternehmen gestellt, etwa in der gemeinschaftlichen Forderung nach einem vergünstigten Industriestrompreis.

Von Christian Ebner, dpa