Die deutsche Autoindustrie kann vorerst aufatmen: Elektroautos sollen im Handel zwischen der EU und Großbritannien für weitere drei Jahre von Brexit-Zöllen ausgenommen werden.
Damit würden teurere Preise für europäische E-Autos verhindert, wodurch etwa deutsche Firmen Unternehmen aus anderen Weltregionen besser Konkurrenz machen könnten. Der entsprechende Vorschlag der EU-Kommission von Mittwoch muss unter den EU-Staaten noch eine Mehrheit finden. Konkret ist die Zustimmung von mindestens 15 der 27 EU-Staaten nötig. Diese müssen gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Wegen des britischen EU-Austritts sollten eigentlich zum 1. Januar 2024 neue Zollregeln in Kraft treten. Fahrzeuge, deren Wertschöpfung zu weniger als 45 Prozent in der EU oder Großbritannien stattgefunden hat, wären dann mit einem Zoll von 10 Prozent belegt worden. Dies würde Hersteller treffen, die die Wertschöpfungsquote bei E-Autos etwa wegen fehlender Produktionskapazitäten von Akkus in Europa nicht erreichen.
Wie die EU-Kommission mitteilte, sind Aspekte wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine oder die Corona-Pandemie nicht vorhersehbar gewesen, als die Einführung der Zölle im Jahr 2020 ausgehandelt worden war. Auch wegen Pandemie und Angriffskrieg habe sich eine europäische Batterieindustrie langsamer entwickelt, als angenommen worden sei.
Die Abgaben sind für Unternehmen auch ein Anreiz, die Batterieindustrie in Europa auszubauen. Im Kommissionsvorschlag steht daher auch, dass es keine Möglichkeit geben soll, dass die Zölle über den 31. Dezember 2026 hinaus noch mal länger ausgesetzt werden. Der Tata-Konzern etwa, zu dem die britischen Marken Jaguar Land Rover gehören, will eine milliardenschwere «Gigafactory» bauen. Die britische Regierung unterstützt die Projekte mit hohen Fördersummen. Auch auf europäischer Seite gibt es Fördergelder. So kündigte die Kommission beispielsweise an, den nachhaltigsten europäischen Batterieherstellern drei Jahre lang Mittel in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.
Lehnfeld: Auch deutsche Automobilindustrie kann davon profitieren
Von der Verlängerung der Ursprungsregeln profitieren sowohl britische Pkw-Hersteller als auch die deutsche Automobilindustrie, wie Marc Lehnfeld von der bundeseigenen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) in London betonte. Im deutsch-britischen Handel macht der sogenannte Autofaktor – also der Außenhandel mit Pkw, Teilen und Motoren – mit rund 22 Prozent im laufenden Jahr die wichtigste Gütergruppe aus. «Nun kann die britische Automobilindustrie wieder Zuversicht schöpfen», sagte Lehnfeld. «Auch die deutsche Automobilindustrie kann von der Verschiebung profitieren.» Deutschland sei das wichtigste Lieferland der Briten bei Vollelektrofahrzeugen und Hybriden.
Britische Autohersteller fürchteten wegen der Zölle ab kommendem Jahr, auf dem wichtigen Exportmarkt EU nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Auch die deutschen Autobauer wären beim Export nach Großbritannien künftig von Zöllen betroffen, wenn diese nicht weiterhin ausgesetzt werden. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bezeichnete die Abgaben bereits als erheblichen Nachteil für europäische Firmen gegenüber ihren asiatischen Wettbewerbern auf dem wichtigen Markt im Vereinigten Königreich.
Entsprechend positiv reagierte Verbandspräsidentin Hildegard Müller auf die Ankündigung der EU-Kommission: «Diese Entscheidung ist richtig und ein Gewinn für Klima, Industrie und Verbraucher.» Der Vorschlag müsse nun schnellstmöglich von den EU-Staaten und dem Vereinigten Königreich umgesetzt werden.
Wieder bessere Zahlen für britische Autoindustrie
Für die britische Autoindustrie gab es nach Verkaufsrückgängen etwa wegen Brexit, Pandemie und Lieferkettenproblemen in den vergangenen Monaten wieder bessere Zahlen. Ohne die Verlängerung der Zoll-Ausnahmen wäre der jüngste Aufschwung aber wohl schnell wieder zusammengebrochen, wie Branchenvertreter gewarnt hatten.
Die britische Regierung bezeichnete den Vorschlag der EU-Kommission als positiven Schritt, der der Branche langfristige Sicherheit gebe und sicherstelle, dass sie weltweit wettbewerbsfähig bleibe. «Wir haben das gemeinsame Ziel, die heimische Produktion von Elektrofahrzeugen und die Lieferketten für Batterien auszubauen», hieß es in einer Stellungnahme.
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