Die Welthandelsorganisation (WTO) sieht Anzeichen einer Fragmentierung der Weltwirtschaft und warnt vor einer möglichen Deglobalisierung. «Die ökonomischen Kosten wären sehr hoch», sagte der deutsche Chefökonom der Welthandelsorganisation, Ralph Ossa, der Deutschen Presse-Agentur. Und nicht nur das: Der Welthandel sei wichtig für die Versorgungssicherheit, die Nachhaltigkeit und die Gerechtigkeit. Ossa sieht die Weltgemeinschaft an einem Scheideweg.
«Wir sehen erste Anzeichen dafür, dass es eine Reorientierung des Handels anhand geopolitischer Einflusssphären gibt», sagte Ossa. Die WTO hat die Welt für eine Untersuchung in zwei hypothetische Blöcke geteilt: auf der einen Seite Länder, die in den Vereinten Nationen mit den USA abstimmen und auf der anderen solche, die an der Seite Chinas standen. Der Handel innerhalb der Blöcke sei seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 vier bis sechs Prozent stärker gewachsen als zwischen den Blöcken.
Welt am Scheideweg
Die Situation sei noch nicht dramatisch, könne es aber werden, warnte Ossa. Die WTO hat berechnet, was passieren würde, wenn die Welt tatsächlich in zwei rivalisierende Machtblöcke zerfiele und die Blöcke gegeneinander Handelsbarrieren aufbauten. In einem solchen Szenario würden Industrieländer bis 2050 durchschnittlich drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts verlieren, arme und Schwellenländer 6,5 Prozent, schrieb die WTO in ihrem Welthandelsbericht im Herbst 2023.
«Es wird gerade viel drüber diskutiert, ob wir uns unabhängiger machen sollen von anderen Ländern, ob wir vielleicht nur noch mit befreundeten Staaten handeln oder uns nur noch auf eigene Produktion verlassen sollen», sagt Ossa. Das berge die Gefahr, dass «aus dem Abflachen der Globalisierung eine Deglobalisierung wird». Noch sei die Welt davon weit entfernt. Sie stehe aber an einem Scheideweg. Länder müssten sich entscheiden, ob sie den Welthandel als Teil der Lösung von Problemen oder als Teil des Problems sehen. Die WTO mit ihren 164 Mitgliedsländern, deren Aufgabe es ist, fairen Welthandel zum Wohle aller zu fördern, sieht den Handel als Teil der Lösung.
In der Corona-Pandemie sei der Welthandel ein Segen gewesen, sagte Ossa – abgesehen von den Anfängen, als Länder Exporte von wichtigen Gütern wie Gesichtsmasken teils vorübergehend stoppten. Darunter war zeitweise auch Deutschland. Masken, Ausstattung für das Home Office sowie Impfstoffe seien in internationalen Lieferketten produziert und durch den Handel verfügbar gemacht worden. Zudem wisse man nicht, wo der nächste Schock auftrete und wer dann die Lösung parat habe. Ein multilaterales Handelssystem stelle sicher, dass es in Krisen immer alternative Beschaffungsmöglichkeiten gebe.
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