Am Anfang drehte sich alles um Erdöl und ein geopolitisches Kräftemessen. Als die Internationale Energieagentur (IEA) vor 50 Jahren inmitten der weltweiten Ölkrise gegründet wurde, ging es den westlichen Industriestaaten darum, der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) eine mächtige Institution entgegenzusetzen.
Nachdem die Exporteure dem Westen den Ölhahn zeitweise abgedreht hatten, war das Hauptziel, den eigenen Ölhunger in Zukunft verlässlich stillen zu können. Zum 50-jährigen Bestehen, das die internationale Organisation am Sitz in Paris an diesem Dienstag und Mittwoch begeht, stehen für IEA-Direktor Fatih Birol längst der Abschied von fossilen Energieträgern und die Notwendigkeit beschleunigter Anstrengungen für den Klimaschutz im Mittelpunkt.
Anstrengungen für den Klimaschutz
Zum Auftakt des Treffens rief Birol zu gemeinsamen Anstrengungen der Staatengemeinschaft für eine verlässliche Energieversorgung und den Klimaschutz auf. «Energiesicherheit und Klimaschutz sind miteinander verwoben und die Annahme, man könne sich auf eins von beiden fokussieren, ist eine altmodische Ansicht», sagte Birol. «Regierungen müssen zusammenarbeiten, um die großen gemeinsamen Herausforderungen anzugehen, weil ein unkoordiniertes individuelles Herangehen einzelner Länder unzureichend sein wird.» Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Energiewende für und mit der Bevölkerung gestaltet werde.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen pochte auf mehr Tempo bei der Energiewende, da Klimaziele ansonsten unerreichbar blieben. Auch die Energieeffizienz sowie die Investitionen müssten gesteigert werden, wobei Entwicklungsländer Hilfe beim Finden von Investoren erhalten müssten. Denn die Energiewende werde nur zu einem Erfolg, wenn sie für alle funktioniere. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire unterstrich die Bedeutung der Kernenergie beim Kampf gegen die Erderwärmung. Wichtig sei, die Bevölkerung und kritische Industriezweige bei der Energiewende zu begleiten.
Wie IEA-Chef Birol vor Start der Konferenz der Deutschen Presse-Agentur sagte, sieht er als Motor des Klimaschutzes die Industriestaaten in der Pflicht, da sie für 60 Prozent des in den vergangenen 100 Jahren in die Atmosphäre geblasenen Kohlendioxids verantwortlich seien, zugleich aber nur 15 Prozent der Weltbevölkerung ausmachten. «Sie tragen also eine große Verantwortung, eine moralische Verantwortung im Globalen Norden, denn sie haben diese große Herausforderung geschaffen.» Außerdem erziele Klimaschutz nur bei weltweiten Anstrengungen Erfolge. «Die Emissionen haben keinen Pass, also wirken sie sich überall aus.»
Globaler Norden muss Klimaschutz weltweit unterstützen
Es sei eine Aufgabe für den Globalen Norden, den Übergang zu sauberer Energie in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu unterstützen, damit diese ihre Emissionen reduzieren können», sagte Birol. Nötig dazu seien Finanzierungshilfen durch internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank oder regionale Entwicklungsbanken, um saubere Energieprojekte in diesen Ländern zu fördern.
Die IEA berät aktuell 31 Regierungen von Australien bis Korea in Energiefragen und veröffentlicht regelmäßig Analysen zu Entwicklungen der verschiedenen Energieträger sowie den Aussichten und Bedingungen einer Energiewende. Beständig heißt es von der Agentur in Paris, der Umstieg auf Erneuerbare beschleunige sich, und eine Beschränkung der Erderhitzung auf 1,5 Grad bleibe noch erreichbar, wenn die Anstrengungen zum Verringern der CO₂-Emissionen nur forciert würden. Zugleich aber vermeldete die IEA unlängst eine globale Rekordnachfrage nach Kohle sowie nach Erdöl. Wie passt das zusammen?
Unwägbarkeiten begleiten Energiewende
Der tatsächliche Abschied vom Erdöl werde auch davon abhängen, ob die Staaten in der Lage seien, ihr weltweites Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch abzukoppeln, sagte kürzlich der Direktor der Denkfabrik The Shift Project, Matthieu Auzanneau, dem Nachrichtenmagazin «L’Express». Alle Dekarbonisierungsszenarien enthielten außerdem sehr ehrgeizige Parameter für die Energieeffizienz, die Unwägbarkeiten unterlägen. Politische Umschwünge könnten zudem nationale Klimastrategien leicht infrage stellen. Es genüge, dass klimakonservative Regierungen an der Macht blieben oder an die Macht kämen, um den Ausstieg aus fossilen Energiequellen weiter in die Zukunft zu verschieben.
«Unser Handlungsspielraum ist heute sehr begrenzt. Daher müssen die Entscheidungen, die wir im Energiesektor treffen müssen, radikaler und grundlegender sein, als wenn wir diese Entscheidungen vor 20, 30 Jahren getroffen hätten», sagte Birol. «Wir haben nicht mehr viel Zeit.» Wenn man die Klimaziele des Pariser Abkommens erreichen wolle, könne man sich keinen weiteren Anstieg der Nutzung fossiler Brennstoffe leisten. «Wir müssen uns also für eines von beiden entscheiden. Entweder wir nutzen weiterhin viele fossile Brennstoffe und können unsere Klimaziele nicht erreichen und beginnen auf einem Planeten zu leben, auf dem es viel mehr extreme Wetterereignisse, viel mehr Hitzewellen, Überschwemmungen, Regenfälle und anderes gibt, oder wir reduzieren unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.»
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