Die Info kommt per SMS: Das Paket ist da. Doch nicht ein Postbote steht vor der Tür, sondern ein Roboter. Was sich anhört wie ein Szenario aus der fernen Zukunft, ist im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts schon ein Stück weit Wirklichkeit geworden. Wissenschaftler von der Technischen Universität (TU) Braunschweig und anderen Einrichtungen erprobten zwei Jahre lang den Einsatz von zwei miteinander vernetzten, autonomen Fahrzeugen.
Nun stellten sie das Vorhaben in der niedersächsischen Stadt vor. Bei einer Vorführung war zu sehen, wie ein großes Fahrzeug – ein mobiles Zwischenlager – auf dem Gelände der TU heranrollte und zwei Pakete transportierte. In einem nächsten Schritt brachte ein kleiner Lieferroboter die beiden Sendungen etwa hundert Meter weit um die Ecke, wo ein Mensch die Pakete entgegennahm. Die testweise Zustellung hatte Erfolg – ein menschlicher Paketbote war für die Übergabe nicht nötig. Das große Fahrzeug hat den Angaben zufolge ein Ladevolumen von bis zu neun Kubikmetern und damit so viel wie ein mittelgroßer Transporter. In das kleinere Zustellfahrzeug passen bis zu 30 Pakete.
Fachkräftemangel abschwächen und Klima schützen
Einer der zuständigen Wissenschaftler der Uni, Torben Hegerhorst, erklärte das Ziel des Robotereinsatzes: Man wolle die «letzte Meile» – also die letzte Strecke bis zum Empfänger – vollständig automatisieren und dadurch die Kosten erheblich senken. Als positiven Aspekt des Robotereinsatzes nennt er auch eine gute CO2-Bilanz, schließlich fährt kein Transporter mit Verbrennungsmotor mehr bis vor die Haustür des Empfängers. «Und der andere große Aspekt ist der Fachkräftemangel, den man damit beheben kann», sagt der Experte.
Tatsächlich sucht die Paketbranche angesichts der hohen Sendungszahl – rund dreieinhalb Milliarden Pakete im Jahr in Deutschland – händeringend Arbeitskräfte. Roboter könnten diese Personalprobleme abschwächen – vorausgesetzt, die Roboter-Tests münden irgendwann einmal auch wirklich in eine alltagsfähige Anwendung für die große Masse.
Das vorgestellte Projekt heißt «LogiSmile – Last-mile logistics for autonomous goods delivery» (deutsch: Letzte-Meile-Logistik zur autonomen Warenlieferung). Getestet wurde nicht nur in Braunschweig, sondern auch in der Nähe von Barcelona und in Ungarn, externe Firmen waren dabei eingebunden.
Mensch noch nicht ganz verzichtbar
Ganz mechanisch ist der Ablauf in dem Roboterkonzept aber nicht. Bei der Vorführung in Braunschweig bringt ein Mensch die Pakete vom mobilen Zwischenlager in den kleinen Zustellroboter. Die Übergabe habe bei dem Projekt nicht im Zentrum gestanden, sagt Wissenschaftler Hegerhorst. Im Fokus des Projekts habe die Zusammenarbeit der beiden Roboter gestanden, die durch ein System überwacht und koordiniert werden.
Die Roboter sollen vor allem in Städten genutzt werden, wo viele Menschen Pakete empfangen. Ein Regelbetrieb könnte «in mittlerer Zukunft» erfolgen, sagt der Fahrzeugtechniker, und spricht von fünf bis zehn Jahren als möglichem Zeitfenster bis zum Einsatz im Regelbetrieb.
Andere EU-Staaten sind weiter
Experten anderer Hochschulen, die in das LogiSmile-Projekt nicht eingebunden waren, sehen das Thema ebenfalls positiv. «Die Zustellung hat viel Potenzial, schließlich sucht die Paketbranche händeringend nach Arbeitskräften und könnte hierbei durch die Roboter personell entlastet werden», sagt Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. Andere EU-Staaten seien hierbei weiter, zum Beispiel im Baltikum würden Zustellroboter schon eingesetzt. «Deutschland ist spät dran.»
Der Logistik-Professor gibt zu bedenken, dass sich solche Roboter nicht in jedem Umfeld eigneten. «In Innenstädten sind die Gehwege manchmal zugeparkt mit E-Scootern und Fahrrädern, es gibt Kopfsteinpflaster, die Bordsteine sind mal hoch und mal niedrig – all das sind Unsicherheitsfaktoren, die einen zügigen Ablauf erschweren.»
Bisher kein Durchbruch in Deutschlands Paketbranche
Die Brief- und Paketbranche tüftelt mit Wissenschaftlern schon lange an Roboterkonzepten. Der Durchbruch ist ihr bisher nicht gelungen. Hermes erprobte von 2016 bis 2017 ein autonomes Fahrzeug in Hamburg, das Pakete vom Hermes-Shop zum Empfänger brachte. Die Technik sei noch in einem frühen Prototypenstadium gewesen, sagt eine Hermes-Sprecherin im Rückblick auf das damalige Projekt. Man habe zwar interessante Erfahrungen gemacht. «Für einen Regeleinsatz in der Paketzustellung aber war es einfach noch zu früh.»
Konkurrent DHL testete 2017 im hessischen Bad Hersfeld einen «PostBOT» in der Briefzustellung. Dieses Roboterfahrzeug war nur als Unterstützung gedacht: Es fuhr Briefträgern hinterher, die zu Fuß liefen, und transportierte deren Sendungsmengen. Sein Fassungsvermögen lag bei 150 Kilo. Das Projekt wurde nach einiger Zeit eingestellt.
Verband skeptisch: Wirtschaftlichkeit auf absehbare Zeit unwahrscheinlich
Am weitesten kam DPD – dies allerdings nicht in Deutschland, sondern in Großbritannien. Die Firma schickte im Jahr 2022 Zustellroboter in der Stadt Milton Keynes los, um pro Tag bis zu 30 Pakete auszuliefern. Auf die Frage, wie es denn laufe, sagt ein DPD-Sprecher, dass die Roboter noch immer im Einsatz seien. Im Sommer 2023 sei das Vorhaben auf zehn Städte ausgeweitet worden. «Man könnte also sagen, es war ein Erfolg», so der DPD-Sprecher. Eine Ausweitung auf Deutschland sei vorerst aber nicht geplant.
Der deutsche Paketbranchen-Verband Biek hat bei dem Thema keine allzu hohen Erwartungen. Dessen Chef Marten Bosselmann sieht den Einsatz von Robotern auf der letzten Meile grundsätzlich zwar positiv, sagt aber auch: «Praktische Anwendungsfälle, die schrittweise auf eine große Menge kommen und sich wirtschaftlich lohnen, sind auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich.» Autonome Fahrzeuge in der Zustell-Logistik befänden sich aktuell noch im Experimentier- und Forschungsstadium. In Zukunft könnten autonom fahrende Zustellfahrzeuge jedoch eine wichtige Rolle bei der Paketzustellung spielen, sagt Bosselmann, und betont dabei die Bedeutung von flächendeckendem, sicher vorhandenem Breitband-Internet, das für den Roboter-Einsatz nötig sei.
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