Schnurgerade liegen die dicken weißen Stahlrohre neben den Eisenbahnschienen, wie überdimensionale Strohhalme. Viel mehr ist nicht zu sehen auf dem Feld in Veendam bei Groningen im Norden der Niederlande. Und doch könnte hier, nahe der deutschen Grenze, Geschichte geschrieben werden.
Denn diese Rohre sind die erste europäische Teststrecke für den Hyperloop – ein fast utopisches Transportsystem, mit dem Menschen in einem irrsinnigen Tempo in Kapseln von A nach B gebracht werden sollen. 420 Meter lang ist die Strecke, am Ende des Monats sollen die ersten Kapseln auch tatsächlich durch die Rohre gleiten. Zunächst nur mit 80 bis 100 Kilometern pro Stunde, und vorerst werden auch keine Menschen transportiert.
«Es ist ein entscheidender Moment», sagt Sascha Lamme, Direktor des European Hyperloop Centers der dpa. Denn dort werden Technologien getestet, Weichen, Sicherheitssysteme. Das Zentrum ist Kernstück eines Europäischen Entwicklungsprogramms, finanziert von 25 kommerziellen und öffentlichen Partnern, auch die EU gab Geld.
Die Idee ist schon über einhundert Jahre alt, aber eigentlich kennt man dieses Transportsystem vor allem aus Science-Fiction-Filmen. Eine Art Rohrpost, nur dann für Menschen. Den Rohren wird Luft entzogen, und in dem Vakuum rasen die Kapseln, auch Pods genannt, magnetisch angetrieben von A nach B mit mehr als 1000 Kilometern pro Stunde.
Es ist ein System, das alles verspricht, wovon Politiker und Städteplaner träumen: Billig, verbraucht wenig Energie, sauber, leise und auch noch bequem. Denn die Pods sollen mit lässigen Sesseln ausgestattet werden, umgeben von sanfter Musik, auch WLAN soll es geben.
Eine perfekte Alternative für Zug- und Flugverkehr?
Eine perfekte Alternative für Zug- und Flugverkehr – das dachte sich auch Elon Musk, der 2012 einen Hyperloop-Wettbewerb für Studenten ausschrieb. Sieger waren ein paar Studenten der TU Delft. Musk selbst investierte zwar dann doch nicht in die Technologie, aber die jungen Niederländer bissen sich fest. Sie gründeten das Start-up Hardt Hyperloop und bauten mit ihren Partnern die Teststrecke.
Doch so einfach ist das nun doch nicht mit der schönen neuen Welt der Hochgeschwindigkeit. Erst im Dezember kam das bisher bekannteste Projekt, die Hyperloop One in den USA, nach zehn Jahren knirschend zum Stillstand. Zu teuer, zu kompliziert und zu groß.
Davon aber lassen sich die jungen Niederländer nicht beirren. «Die Amerikaner wollten zu schnell zu viel Geld verdienen», sagt Lamme. Und sie hätten nicht mit anderen zusammen gearbeitet. «Wir aber können uns Zeit lassen und haben auch mehrere Partner.»
Allerdings gibt es in Europa schon ein Transport-Netzwerk mit Hochgeschwindigkeitszügen. Wer will schon in ein komplett neues Netzwerk investieren? Dieses Problem ist auch Lamme bewusst: «Die Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht wettbewerbsfähig», sagt er. «Sie sind noch immer langsamer und teurer als Flugzeuge.»
In einer Stunde von Berlin nach Rom
Tatsächlich könnte der Trip durch die Röhre viel schneller sein – theoretisch. Von Berlin nach Rom in einer Stunde, kein Problem. Und auch rechts abbiegen nach Paris ist möglich. Denn die Niederländer statteten die Teststrecke mit Weichen aus. «Das ist ein Schlüsselstück», sagt Lamme. «Denn das ganze System ist davon abhängig, dass man ein enges Netzwerk bauen kann.» Erst dann lohne es sich.
Zudem muss es gebaut werden. Und ein echter Hingucker sind die Rohre auch nicht gerade in der Landschaft. «Ach, notfalls kann man die ja grün anmalen», argumentiert der Direktor. Außerdem könne man die Rohre auch gleich neben der Autobahn bauen oder sogar unterirdisch.
Soweit das Positive. Die Probleme: Der Stahl schrumpft bei Kälte und dehnt sich bei Hitze aus. Das wird problematisch bei Anschlüssen und Bahnhöfen. Dann bleibt die Frage, wie man die Rohre luftdicht hält – denn sonst gibt es ja kein Vakuum mehr. Und schließlich die Sicherheit. Wie schnell können im Notfall Rettungsdienste in der Röhre sein?
Die Ingenieure sind zuversichtlich, dass sie diese Probleme lösen können. Doch etwas haben sie nicht in der Hand: Wenn es um Verkehrssysteme geht, kocht jeder in Europa gerne sein eigenes Süppchen. Und so sind Schienen und Lokomotiven in Europa auch anno 2024 nicht miteinander kompatibel.
«Es muss also einen europäischen Standard geben für den Hyperloop», sagt Lamme. Die ersten Schritte seien gesetzt, sagt er. Der Hyperloop wurde aufgenommen in die nachhaltige Transportstrategie der EU. 2030, so schätzen die Macher, wird es die erste echte Strecke auch für Menschen geben.
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