Europas drittgrößter Reisekonzern FTI ist in die Pleite gerutscht. Das Amtsgericht München bestellte den Anwalt Axel Bierbach zum vorläufigen Insolvenzverwalter für die Dachgesellschaft FTI Touristik GmbH.
«Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die bereits angetretenen Reisen auch planmäßig beendet werden können», teilte das Unternehmen mit. Noch nicht begonnene Reisen würden voraussichtlich ab Dienstag (4. Juni) nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können.
Vom Insolvenzantrag unmittelbar betroffen ist den Angaben zufolge zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt.
Investitionsvereinbarung war schon unterzeichnet
Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Corona-Krise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestor Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.
Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. «Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte», teilte FTI mit. Dem «Handelsblatt» zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben.
Hohe Verluste für den Bund befürchtet
Die Bundesregierung lehnte neue staatliche Hilfen für den Reisekonzern ab. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte in Berlin, es gebe haushalterische, rechtliche und wirtschaftliche Gründe, weswegen keine weiteren Hilfen über die «sehr vielen großen Hilfen» hinaus erfolgt seien.
Aus Regierungskreisen hieß es, im Zuge von Verhandlungen über Forderungen des Bundes aus der Corona-Pandemie habe man sich darauf geeinigt, dass der Investor diese dem Bund zu Marktpreisen abkaufe. Das hätte Verluste für den Bund bedeutet. Bei der Insolvenz könnten diese nun aber deutlich höher ausfallen. In Regierungskreisen wird ein Ausfall von rund 84 Prozent erwartet.
Reisesicherungsfonds soll sich um Urlauber kümmern
Jetzt ist der 2021 gestartete Deutsche Reisesicherungsfonds am Zug. Er soll sich bei einer Pleite eines Reiseanbieters um die Erstattung der Vorauszahlungen der Kunden, gegebenenfalls den Rücktransport gestrandeter Urlauber sowie deren Unterbringung bis zum Rücktransport kümmern.
Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom Bundesjustizministerium beaufsichtigte Fonds war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden. Die Versicherung hatte damals wegen einer Haftungsbeschränkung nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein.
Die FTI Group mit etwa 11.000 Beschäftigten war in der Pandemie, die die Branche in eine schwere Krise stürzte, in Bedrängnis geraten. Zuletzt sah sich der nach Tui und DER Touristik drittgrößte europäische Reisekonzern dank gestiegener Nachfrage wieder auf Kurs. Im vergangenen Geschäftsjahr 2022/2023 verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von 10 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro und erwirtschaftete einen Ertrag in zweistelliger Millionenhöhe. Nähere Details zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht. Hauptgesellschafter war zuletzt die ägyptische Investoren-Familie Sawiris.
Der vorläufige Insolvenzverwalter Bierbach war am Montagnachmittag bereits vor Ort in der FTI-Zentrale in München. Er arbeite sich ein und spreche mit Beteiligten, sagte eine Sprecherin der Anwaltskanzlei. Mehr könne derzeit nicht mitgeteilt werden. Bierbach war zuletzt als Insolvenzverwalter der Einzelhandelskette Sport Scheck in den Schlagzeilen, für die er einen italienischen Investor fand.
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