23. November 2024

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Sechs Probleme, die Habeck in China erwarten

Zweieinhalb Jahre hat Habeck sich Zeit gelassen mit seiner Reise zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands. Nun fliegt er hin - mitten in einen schwelenden Handelskonflikt.

Robert Habeck reist nach China, aber nicht direkt: Erst einmal macht der grüne Vizekanzler und Wirtschaftsminister Zwischenstopp in Südkorea. Ein wichtiger Handelspartner, einer der Weltmarkt-Führer bei Hochtechnologie und dazu noch eine befreundete Demokratie. In Seoul kann Habeck noch einmal durchschnaufen, bevor es nach China weitergeht. Ein Überblick über die Knackpunkte seiner Reise:

Der Zoll-Eklat

Die EU-Kommission hat vor Kurzem hohe Strafzölle für den Import von chinesischen Elektrofahrzeugen angedroht. Sie sollen zum 4. Juli eingeführt werden, wenn Peking bis dahin keine Alternativlösung zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrungen anbietet. Die Brüsseler Behörde wirft Peking unfaire Subventionierung vor, nach ihren Angaben sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle.

China revanchierte sich mit der Ankündigung einer Antidumping-Untersuchung gegen importierte Produkte aus der Europäischen Union, bei der es um Schweinefleisch und Nebenprodukte geht.

Habeck verhandle in dieser Sache nicht für die EU, betont sein Ministerium. Ein wichtiges Thema wird der Handelskonflikt aber trotzdem werden. Der Minister trifft vor Ort auch Vertreter anderer EU-Staaten, legt also auf ein geschlossenes Auftreten wert.

Allerdings sieht gerade Deutschland die drohenden Zölle kritisch. Schließlich ist die deutsche Wirtschaft besonders auf Exporte angewiesen. Und auch um die Ziele zum Ausbau der Elektromobilität zu erreichen, sind die günstigeren chinesischen Elektroautos wichtig. 

Chinesische Technik für den deutschen Mobilfunk-Ausbau

Unklar ist, in welchem Umfang Komponenten chinesischer Hersteller wie Huawei und ZTE Teil des künftigen deutschen 5G-Mobilfunknetzes sein sollen. Die Bundesregierung hatte monatelang um diese Frage gerungen, insbesondere das SPD-geführte Innenministerium und die Grünen haben Sicherheitsbedenken geäußert. Inzwischen soll es ein grundsätzliches Einvernehmen geben über den weiteren Kurs, Details sind aber nicht bekannt. 

Die ewige Frage: China und die Menschenrechte

In der Menschenrechtsfrage will sich Peking nicht rein reden lassen. Was in Xinjiang, Tibet und Hongkong passiere, sei Chinas innere Angelegenheit und eine Einmischung von Außen werde nicht geduldet, sagte Außenamtssprecher Lin Jian. In der Volksrepublik werden immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen kritisiert, zuletzt vor allem in Xinjiang im äußersten Westen, wo laut Berichten Menschen der uigurischen Minderheit in Lagern untergebracht und zur Arbeit gezwungen wurden. 

Volkswagen und sein chinesischer Partner Saic gerieten wegen Vorwürfen der Zwangsarbeit in einem dortigen Werk in die Schlagzeilen. Eine Untersuchung konnte dies allerdings nicht belegen. Der Chemie-Riese BASF hat sich nach ähnlichen Vorwürfen in einem Werk in Xinjiang in diesem Jahr dort zurückgezogen. 

Aktivisten prangern zudem immer wieder an, dass in Tibet Menschen an der Ausübung ihrer Religion und Kultur etwa durch ein Verbot, Tibetisch zu unterrichten, gehindert würden. In der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong ließ Peking dieses Jahr eine strengere Erweiterung des Sicherheitsgesetzes einführen. Aus Sicht von Kritikern beschneidet die neue Norm die Redefreiheit und die schweren Strafen sollen Demokratieaktivisten in Schach halten. 

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war bei ihrer China-Reise im vergangenen Jahr mit klaren Worten zum Thema angeeckt. Habeck als Wirtschaftsminister könnte auf deutsche und europäische Lieferkettengesetze verweisen, wonach Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.

Chinas Machtstreben in der Region

Westliche Gäste müssen sich bei ihren Besuchen in China meist auch zur sogenannten Taiwan-Frage verhalten. Peking macht kein Geheimnis daraus, das demokratisch regierte Land mit China vereinen zu wollen – notfalls auch durch einen Militäreinsatz. Die Volksbefreiungsarmee demonstriert in der Meerenge zwischen China und Taiwan fast täglich mit Kampfjets und Kriegsschiffen ihre Macht.

Taiwan wird von nur wenigen Ländern offiziell anerkannt. Deutschland gehört nicht dazu und unterhält auf Grundlage der «Ein-China-Politik» nur diplomatischen Austausch mit Peking.

Ein weiterer Brandherd ist das Südchinesische Meer, in dem sich China mit den Philippinen um rohstoffreiche Gebiete streitet. Nahe einiger Riffe, die Manila zu seiner exklusiven Wirtschaftszone zählt, kommt es immer wieder zu Konfrontationen der Küstenwache und Marine beider Seiten.

Der Internationale Schiedsgerichtshof hatte 2016 Chinas Gebietsansprüche in der umstrittenen Regionen zurückgewiesen, doch China ignoriert das Urteil. Sowohl die Philippinen als auch Taiwan sind mit den USA verbündet. Washington sicherte beiden Unterstützung zu, was im Konfliktfall mit China verheerende Auswirkungen auch auf das wichtige Handels- und Wirtschaftsgebiet haben dürfte. 

Chinas gute Beziehungen zu Russland

Dass Russlands Wirtschaft nicht stärker unter den westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs leidet, hat viel mit China zu tun. Studien zufolge gehört China zu den Ländern, die Russland bei der Umgehung von Strafmaßnahmen helfen. Der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz am vergangenen Wochenende blieb China fern. 

Der mehrheitlich staatliche russische Energiekonzern Gazprom ist zudem inzwischen Chinas wichtigster Lieferant von Pipelinegas. Präsident Wladimir Putin wirbt zudem um eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Unter dem Strich ist Russland in dieser Beziehung aber der schwächere Partner: Moskau braucht Peking mehr als umgekehrt – und China weiß das.

Jedoch ist Russland ein wichtiger Helfer für China, um eine «multipolare Welt» aufzubauen. «Länder sollten nicht nach ihrer Stärke kategorisiert werden. Jene mit der größeren Faust sollten nicht das letzte Wort haben», hatte Chinas Außenminister Wang Yi dazu erklärt. China will damit eine internationale Ordnung erwirken, in der etwa Länder wie die USA weniger mächtig sind. 

Rauchende Schlote und Solar-Boom – China und das Klima

China ist mit Abstand das Land, das weltweit die meisten Treibhausgase ausstößt. Bei Weltklimakonferenzen gehört die Pekinger Regierung in der Regel zu den Bremsern, wenn es um schärfere Klimaschutzziele geht. Zugleich wollen die deutsche und die chinesische Regierung bei dem Thema und der Energiewende enger zusammenarbeiten, eine Absichtserklärung zur Einrichtung eines entsprechenden Dialogformats haben sie vor einem Jahr unterzeichnet. 

Während China immer noch einen Großteil seiner Energie aus Kohle gewinnt, treibt Peking den Ausbau erneuerbarer Energien mit großen Schritten voran. 2023 errichtete China laut dem Energieministerium 216 Gigawatt an Solarkapazität neu – hauptsächlich über Solarkraftwerke in entlegenen Gegenden.

Deutschland baute im selben Jahr laut Bundesnetzagentur 14,1 Gigawatt zu. Manche Beobachter schätzen, China könnte die Spitze seiner jährlichen Kohlenstoffdioxidemissionen bereits erreicht haben. Eigentlich hatte sich Peking das für 2030 vorgenommen. Bis 2060 will die Volksrepublik klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als auch wieder gebunden werden können. 

Warum eigentlich Südkorea?

Es dürfte nicht von ungefähr kommen, dass Habeck nicht nur nach China reist, sondern auch nach Südkorea – einer Demokratie, mit der Berlin mehr verbindet als mit Peking. Das Auswärtige Amt beschreibt die Beziehungen als «eng und vertrauensvoll» während bei China von «grundsätzlichen Meinungsunterschieden» die Rede ist. 

An den Finanzsanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs beteiligt sich Südkorea zwar und leistet auch humanitäre Hilfe für die Ukraine. Trotz Bitten Kiews liefert das ostasiatische Land aber keine Kriegswaffen.

Südkorea ist Deutschlands zweitwichtigster Exportmarkt in Asien. Das Land steht nach den Worten des Korea-Experten Eric Ballbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik vor ähnlichen wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Wie Deutschland eine Exportnation, sei es Südkorea gelungen, seine Abhängigkeit von China zu vermindern. «Gleichzeitig sucht auch Südkorea nach neuen Partnern, um seine Abhängigkeit von China auch weiter abzumildern.» 

Ballbach empfiehlt: «Minister Habeck sollte mit offenen Augen durch Südkorea gehen, denn man kann sicherlich sehr, sehr viel von diesem Land, insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung beispielsweise, lernen.»

Von Martina Herzog, Johannes Neudecker und Dirk Godder, dpa