23. November 2024

Börsenprofi

Die Börsen im Überblick

Cum-Ex-Prozess gegen Bankier Olearius eingestellt

Der Hamburger Bankier Christian Olearius ist eine der bekanntesten Figuren im Cum-Ex-Skandal um mehrfach erstattete Steuern. Nach einem Dreivierteljahr hat er die Anklagebank nun verlassen.

Das Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, am Bonner Landgericht wird eingestellt. Ein entsprechendes Urteil fällte die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf am Montag. Grund dafür ist die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das vorzeitige Ende des im September 2023 begonnenen Verfahrens beantragt. Mit dem Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage unbeantwortet. Staatsanwältin Stephanie Kerkering  kündigte noch im Gerichtssaal an, dass man in Revision gehe. 

Olearius hatte sich vor dem Urteil am Montag im Gericht noch zu Wort gemeldet und erneut seine Unschuld beteuert. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien hinfällig.

Mit Hilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte bekamen Finanzakteure Steuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren – Aktien mit («cum») und ohne («ex») Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin- und hergeschoben. Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase dieser Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011. Im Jahr 2021 wertete der Bundesgerichtshof Cum-Ex als Straftat. 

Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vorgeworfen, wobei ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein soll. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein. Staatsanwältin Kerkering erläuterte zur angestrebten Revision zum Bundesgerichtshof, dass man sich so den Weg offenhalte, um ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten. 

Vorerst keine Zahlung von 43 Millionen Euro

In diesem Verfahren geht es um die Frage, ob Olearius angebliche Taterträge von 43 Millionen Euro zahlen muss. Normalerweise wird so eine Abschöpfung mit dem Urteil verkündet, angesichts des vorzeitigen Prozess-Endes wollten die Ankläger besagtes Einziehungsverfahren aber in einem selbstständigen Strang fortgesetzt wissen. Das lehnte das Gericht vergangene Woche ab, aus Sicht der Kammer war der Sachverhalt nicht fertig ermittelt – das hätte geheißen, dass die Staatsanwaltschaft später ein neues Einziehungsverfahren anstrengen müsste. Hierbei würde es nicht mehr um die Schuldfrage von Olearius gehen, er müsste auch nicht persönlich erscheinen. 

Zu Cum-Ex hat es am Bonner Landgericht seit 2020 bereits acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen. Im nun eingestellten Verfahren musste sich zum ersten Mal die Spitze eines Finanzinstituts vor Gericht Cum-Ex-Vorwürfen stellen. Olearius war früher Chef der Warburg-Privatbank und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, inzwischen ist er nur noch Gesellschafter.

Die Zahlung der angeblichen Taterträge bleibt Olearius zwar vorerst erspart, dies droht ihm aber weiterhin: entweder indem die jetzige Forderung von 43 Millionen Euro doch noch in einem selbstständiges Einziehungsverfahren am Leben gehalten wird oder indem ein neues Einziehungsverfahren beantragt wird. Nach Auskunft des Sprechers von Olearius hat der 82-Jährige im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Co-Gesellschafter Max Warburg wegen Cum-Ex bereits 230 Millionen Euro an den Staat gezahlt. 

Verbindung zu Scholz

Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. Sein Vorgehen schlug auch in der Politik hohe Wellen. Denn aus Tagebucheinträgen von ihm ging hervor, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen war. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.