An ihrem letzten Amtstag hat die Trump-Administration nach vielen Drohungen in Sachen Nord Stream 2 ernst gemacht: «Die USA verhängen heute Sanktionen gegen das russische Unternehmen KVT-RUS und erklären das Schiff «Fortuna» zu blockiertem Eigentum», teilte das US-Außenministerium am Dienstag mit.
Damit bestraft die US-Regierung auf Grundlage der Sanktionsgesetze gegen Nord Stream 2 zum ersten Mal ein Unternehmen wegen der Beteiligung am Bau der deutsch-russischen Gas-Pipeline.
Welche Konsequenzen die Einstufung als «blockiertes Eigentum» hat, solange die «Fortuna» nicht in US-Hoheitsgewässern ist, ist unklar. Das Schiff war am vergangenen Donnerstag in Wismar ausgelaufen und lag zuletzt tagelang vor Rostock. Eigentlich waren bei dänischen Behörden für vergangenen Freitag Verlegearbeiten unter Beteiligung der «Fortuna» südlich der dänischen Insel Bornholm angekündigt gewesen.
Das US-Außenministerium begründete die Sanktionen damit, dass die Fertigstellung von Nord Stream 2 Russland die Möglichkeit eröffnen würde, «natürliche Ressourcen als Mittel für politischen Druck und bösartigen Einfluss gegen Westeuropa zu nutzen». In der Mitteilung hieß es, die USA würden weitere Strafmaßnahmen in naher Zukunft erwägen.
Der Schritt hatte sich abgezeichnet. Die US-Botschaft in Berlin hatte die Bundesregierung zuvor über die bevorstehende Bekanntgabe informiert. Nord Stream 2 hatte dazu mitgeteilt, man setze sich mit den beteiligten Unternehmen nach wie vor für eine Fertigstellung ein. Mögliche Auswirkungen von Sanktionen kommentiere man nicht. Es sei Aufgabe europäischer Regierungen und der EU-Kommission, «in Europa tätige Unternehmen vor illegalen extraterritorialen Sanktionen zu schützen».
Auch Russland hatte sich von den Ankündigungen unbeeindruckt gezeigt. Moskau beabsichtige, «die kontinuierliche Arbeit an der Fertigstellung dieses Projekts fortzuführen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Die russische Staatsagentur Tass hingegen zitierte aus einem Papier für Investoren, nach dem der russische Gasmonopolist und Hauptinvestor Gazprom erstmals wegen des politischen Drucks ein «komplettes Scheitern» des Projekts nicht mehr ausschließe. Der deutsche Energiekonzern und Pipeline-Investor Uniper steht weiter hinter dem Projekt. Man sei überzeugt, dass die Pipeline zu Ende gebaut werde, sagte das Unternehmen am Dienstagnachmittag der Deutschen Presse-Agentur.
Schon die Sanktionsdrohungen der Vergangenheit hatten Wirkung. So führte etwa bereits die Androhung von Strafen dazu, dass die Schweizer Firma Allseas, die mit Spezialschiffen Rohre in der Ostsee verlegt hatte, die Arbeiten Ende 2019 einstellte. Das norwegische Zertifizierungs-Unternehmen DNV GL bestätigte am Montag den Rückzug aus dem Projekt.
Laut «Bild»-Zeitung hat sich auch das deutsche Unternehmen Bilfinger zurückgezogen. Ende 2017 hatte Bilfinger den Zuschlag für Leit- und Sicherheitssysteme zum Betrieb der Pipeline zwischen Russland und Deutschland erhalten. Das Auftragsvolumen lag bei mehr als 15 Millionen Euro. Außerdem war Bilfinger verantwortlich für den Bau einer Wärmezentrale zur Vorwärmung von Erdgas am Anlandepunkt in Lubmin. Das Unternehmen kommentierte den Bericht auf dpa-Anfrage nicht.
Die USA laufen Sturm gegen die Gas-Pipeline, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer Partner in Europa von Russland sehen. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Kritiker werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses und Linken-Politiker Klaus Ernst hatte nach der Ankündigung der jetzt verhängten Sanktionen deren Wirksamkeit bezweifelt und Gegenmaßnahmen gefordert, etwa Strafzölle auf US-Gasimporte.
Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses, hatte die angekündigten Maßnahmen eine «Bevormundung wichtiger Verbündeter durch die USA im Stil von «America First»» genannt. Wiederholten Forderungen aus der deutschen Politik nach einem Stopp der Pipeline auf Grund der «politischen Großwetterlage» erteilte er eine Absage und verwies auf Investitionssicherheit und vorliegende Genehmigungen.
Der Sprecher der US-Botschaft in Berlin hatte die Ablehnung der Pipeline auch in Zusammenhang mit der Verhaftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny in Russland gebracht. Sie sei «ein weiteres klares Zeichen dafür, dass sich das Verhalten Russlands nicht ändert, und wir hoffen weiterhin, dass Deutschland seine Position zu der Pipeline neu bewerten wird».
Das Europäische Parlament könnte im Zuge einer geplanten Erklärung zum Fall des russischen Oppositionspolitikers auch das Aus für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 fordern. Die Grünen-Fraktion beantragte nach Angaben vom Dienstag, eine entsprechende Passage in den Text aufzunehmen.
Nach Angaben von Gazprom sind 94 Prozent der Pipeline bereits fertiggestellt. Sie besteht aus zwei Leitungssträngen mit einer Länge von jeweils rund 1230 Kilometern und soll künftig jedes Jahr zusätzlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern.
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