Der spektakuläre Bilanzskandal um den früheren Dax-Konzern Wirecard könnte bei der Finanzaufsicht jetzt auch juristische Folgen haben.
Die Bafin hat einen ihrer Mitarbeiter wegen des Verdachts des Insiderhandels angezeigt. Im Raum steht der Vorwurf, er könnte Insiderwissen genutzt haben, um mit Wirecard-Papieren Geschäfte zu machen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht Reformbedarf bei der Aufsichtsbehörde, die seinem Ministerium untersteht. In den nächsten Tagen will er Ergebnisse einer Untersuchung zur Neuaufstellung der Bafin vorstellen.
Die Finanzaufsicht prüft seit Monaten private Börsengeschäfte ihrer Mitarbeiter, bei denen der Kurs des inzwischen insolventen Skandalunternehmens Wirecard eine Rolle spielte. Noch im November hatte sich Bafin-Chef Felix Hufeld vor seine Mitarbeiter gestellt. Bis dahin habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass mit Wirecard-Aktien handelnde Beschäftigte einen möglichen Informationsvorsprung zum privaten Vorteil genutzt hätten, hatte er gesagt. 510 private Geschäfte von 85 Mitarbeitern mit Bezug zu Wirecard waren gemeldet worden.
Der nun angezeigte Mitarbeiter habe am 17. Juni 2020 strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard AG verkauft, erklärte die Aufsicht am Donnerstag. Dazu zählen unter anderem Zertifikate. Einen Tag später hatte das Fintech-Unternehmen ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Ende Juni meldete Wirecard Insolvenz an.
Die Finanzaufsicht entdeckte den Verdacht gegen den Mitarbeiter nach eigenen Angaben im Rahmen der Sonderauswertung. Der Beschäftigte sei sofort freigestellt und ein Disziplinarverfahren eröffnet worden. Scholz sprach von einem «schwerwiegenden Vorgang».
Dieser zeige, wie richtig die neuen Regeln für den Aktienhandel von Bafin-Beschäftigten seien. «Und es belegt den Reformbedarf, der dort herrscht», sagte er. Private Finanzgeschäfte der Bafin-Mitarbeiter sollen stark eingeschränkt werden, der Bundestag muss den neuen Regeln allerdings noch zustimmen. Die Bafin selbst hatte ihre Regeln für die privaten Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter Mitte Oktober 2020 verschärft. Spekulative Finanzgeschäfte, also das kurzfristige Handeln beispielsweise mit Aktien, sind den Angaben zufolge seitdem nicht mehr möglich.
Letztlich gehe es nicht um das Fehlverhalten eines Einzelnen, der sein berufliches Wissen möglicherweise zu Geld gemacht habe, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Der Fall greife «das Vertrauen in die Aufsicht im Innersten» an. Er forderte Scholz zu einem Neuanfang an der Bafin-Spitze auf. «Nur so lässt sich die Autorität der Behörde absehbar wieder herstellen.»
Auch der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, sieht weiter Bedarf für strengere Regeln in deutschen Behörden – auch für Ministerien und den Bundestag. Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz betonte: «Uns helfen bessere Regeln aber wenig, wenn sich an der Aufsichtskultur an der Spitze nicht grundsätzlich etwas ändert.»
Das milliardenschwere Bilanzskandal rund um den früher aufstrebenden Tech-Konzern Wirecard hatte Finanzszene und Politik schwer erschüttert. Die Münchener Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen jahrelang Scheingewinne auswies – ohne dass dies Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsbehörden auffiel. Zahlreiche Aktionäre machten hohe Verluste, als Wirecard nach Auffliegen des Skandals Insolvenz anmeldete und die Aktie abstürzte. Mit dem Fall beschäftigte sich inzwischen sogar ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Der frühere Finanzvorstand von Wirecard bestritt am Donnerstag vor diesem Ausschuss jegliche Beteiligung an dem mutmaßlichen Milliardenbetrug. Die umstrittenen Treuhandkonten hätten nicht in seinem Aufgabenbereich gelegen. Vielmehr sei der inzwischen untergetauchte Wirecard-Manager Jan Marsalek zuständig gewesen.
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