Die Überlegung, zur Finanzierung der Corona-Krise Unternehmensbeteiligungen des Staates zu verkaufen, sorgt in Politik und Wirtschaft für Diskussionen.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans verurteilte die Idee von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) scharf und warf ihm vor, zu kurz zu denken. Das Finanzministerium betonte, die Finanzierung der Krisenkosten sei auch ohne solche Verkäufe gesichert. Ökonom Gabriel Felbermayr dagegen zeigte sich angetan.
«Viele Beteiligungen kann man problemlos sehr schnell verkaufen, zum Beispiel jene bei der Deutschen Telekom, der Deutschen Post oder bei 50Hertz», sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch etwa für Flughäfen, die Commerzbank oder Tui und die Lufthansa sollte man einen Ausstiegsplan festlegen, meinte Felbermayr. In den vergangenen Jahren aber habe es eher einen gegenteiligen Trend gegeben: «Der Staat ist, oft ohne wirkliche Not, in immer mehr Unternehmen als Gesellschafter eingestiegen, gerade in der Amtszeit von Peter Altmaier.»
Altmaier hatte am Wochenende in einem Interview vorgeschlagen, angesichts der immensen Kosten der Corona-Pandemie eine Veräußerung milliardenschwerer Staatsanteile an Unternehmen zu prüfen. Der CDU-Politiker sagte der «Welt am Sonntag»: «Der Wert der staatlichen Beteiligungen ist in den letzten Jahren ordentlich gewachsen. Deshalb sollten wir prüfen, welche staatlichen Beteiligungen zurückgefahren werden können. Auch das bringt Geld in die Staatskasse, das wir für Zukunftsinvestitionen gut gebrauchen können.»
Im Finanzministerium zeigte man sich wenig begeistert. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) nannte Altmaiers Idee «etwas skurril». Die Staatsbeteiligungen spielten eine erhebliche Rolle bei den Staatshilfen für Unternehmen gerade, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Zudem helfe ein solcher Verkauf nicht bei der Einhaltung der Schuldenbremse, da es im Grunde nur ein Vermögenstausch sei, sagte eine Sprecherin. Die Finanzierung der durch die Corona-Krise entstandenen Kosten im Bundeshaushalt sei gesichert. «Dafür bedarf es keiner Privatisierungen», hieß es.
Walter-Borjans warf Altmaier zudem vor, er warte «mit dem ältesten Hut der Konservativen auf». «Wenn das Geld knapp zu werden droht, fällt ihnen nichts anderes ein, als Tafelsilber zu verkaufen», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dies könne man allerdings nur einmal tun. Nötig seien vielmehr solide Konzepte etwa für nachhaltiges Wachstum und die angemessene Beteiligung der «Krisengewinnler» an der Finanzierung des Gemeinwesens. Für Investitionen sollten auch Kredite ermöglicht werden – «erst recht in Nullzins-Zeiten», sagte Walter-Borjans.
Auch Ökonomen zeigten sich skeptisch. Zwar solle sich der Staat «nur in gut begründeten Ausnahmefällen an Unternehmen beteiligen», sagte Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, der «Süddeutschen Zeitung» (Dienstag). «Haushaltslücken sollten aber kein Grund sein, Beteiligungen zu veräußern.» Das könne der Staat vielleicht machen, um Liquiditätsprobleme abzufangen. Das aber sei in der Corona-Krise nicht der Fall. Der Würzburger Ökonom Peter Bofinger nannte diesen Ansatz «völlig unsinnig». «Es mag andere Gründe geben zu überlegen, ob sich der Staat an Unternehmen beteiligen soll, aber aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Unsinn», sagte er der Zeitung.
Der Wirtschaftspolitiker der Linken, Klaus Ernst, kritisierte Altmaiers Idee ebenfalls als abwegig. «Es wäre sehr viel sinnvoller, Krisengewinnler durch höhere Steuern zu belasten und angesichts von Negativzinsen auf Zusatzeinnahmen durch Kreditaufnahme zu setzen, als jetzt das Tafelsilber zu verschleudern», erklärte er.
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