24. November 2024

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VW-Diesel-Vergleiche fast abgeschlossen

Eine Viertelmillion Musterkläger, Zehntausende Einzelverfahren: Den überwiegenden Teil der deutschen Diesel-Entschädigungen hat VW jetzt hinter sich gebracht. Ganz zu Ende ist das Kapitel aber noch nicht - und einige Kunden mussten länger auf ihr Geld warten.

Volkswagen hat seine außergerichtlichen Diesel-Entschädigungen in Deutschland so gut wie abgeschlossen. Fast alle berechtigten Kunden hätten ein Vergleichsangebot bekommen, heißt es aus dem Unternehmen.

Bis Ende Februar könnten noch 5000 Kläger aus Einzelprozessen jenseits des Musterverfahrens den Vorschlag annehmen. Danach seien keine Abwicklungen mehr über die Website geplant, auf der Anwälte von Autobesitzern die Ansprüche anmelden. In den meisten Fällen sei das Geld ausgezahlt. Auch bei Schadenersatz außerhalb der Vergleiche kann es jedoch Verzögerungen geben – VW bedauerte dies.

Nach Grundsatzurteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) im vorigen Jahr hatte der Autokonzern angekündigt, Prozesse von Verbrauchern, die auf eigene Faust vor Gericht gezogen waren, gütlich zu regeln. Dabei war zunächst vor einer Gesamtzahl von etwa 55.000 die Rede. Mittlerweile sind laut VW rund 30.000 davon beendet, zu den weiteren 5000 Angeboten gibt man sich optimistisch. Unter den verbleibenden 20 000 Fällen seien vor allem solche, bei denen Kunden einen Vergleich ablehnten oder es schon Regelungen aus rechtskräftigen Urteilen gebe. Das Gros der außergerichtlichen Entschädigungen sei damit umgesetzt.

Weltweite Klagewelle durch «Dieselgate»

Allein in der Bundesrepublik hatten insgesamt mehrere hunderttausend Besitzer von Dieselwagen aus dem VW-Konzern eine finanzielle Wiedergutmachung wegen der Abgasaffäre gefordert. Sie sahen sich geprellt, weil der Skandalmotor EA189 im Straßenverkehr deutlich mehr giftige Stickoxide (NOx) ausstieß als in Tests. «Dieselgate» war im Herbst 2015 in den USA aufgeflogen, wo die Wolfsburger ihre Autos jahrelang als besonders umweltfreundlich bewarben. Millionen Wagen weltweit enthielten eine Software, die Schadstoffwerte manipulierte – Kunden bangten um den Restwert ihrer vermeintlich sauberen Fahrzeuge.

Nachdem in den Vereinigten Staaten größere Beträge gezahlt worden waren, bündelten Verbraucherschützer auch hierzulande Forderungen. Vor knapp einem Jahr stand dann ein Mustervergleich zwischen VW und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). In dessen Rahmen erhielten die Besitzer je nach Fahrzeugtyp und -alter zwischen 1350 und 6257 Euro. Fast alle als rechtmäßig erachteten Ansprüche – gut 245 000 Fälle – waren bis zum Jahreswechsel 2020/2021 dem Konzern zufolge abgegolten. Kostenpunkt für VW: mehr als 750 Millionen Euro.

Etliche Kunden setzten allerdings auf höhere Summen und klagten daher außerhalb des Musterverfahrens. Auch angesichts eines entsprechenden BGH-Urteils, das eine sittenwidrige Schädigung sah, erklärte sich der Konzern schließlich zu weiteren Einzelvergleichen bereit.

Nicht immer pünktliche Auszahlungen

VW bemühte sich nach eigener Darstellung stets um eine rasche Prüfung und Umsetzung. Manche Kunden berichteten jedoch auch von erheblichen Wartezeiten sowie – bei abgelehntem Vergleichsangebot und nach Urteil – teils von gerissenen Zahlungsfristen. Mitunter soll die erstrittene Summe sogar bei angeordneter Zwangsvollstreckung nicht rechtzeitig geflossen sein. In einem Fall etwa soll es von der Entscheidung eines Gerichts in Süddeutschland bis zur Ankündigung der Überweisung an die betreuende Anwaltskanzlei beinahe ein halbes Jahr gedauert haben.

«Wir haben lange gehofft, dass die Zahlung kommt», so der betroffene Kunde. Im Dezember sei der letzte Termin verstrichen, auf Anschreiben habe VW nicht reagiert. Erst Anfang dieser Woche sei das Geld nun auf dem Konto seiner Frau gelandet, Verzugszinsen würden geprüft. Es sei nicht einfach gewesen, monatelang keine Sicherheit über die zugesagte Summe zu haben – rund 10 000 Euro nach Abzug eines Nutzungsbeitrags. «Weil ich keine Rechtsschutzversicherung hatte, kamen noch Kosten für einen Prozessfinanzierer dazu.» Ihm sei zuvor ebenfalls ein Vergleich angeboten worden. Er habe aber beschlossen, das eigene Gerichtsurteil abzuwarten, zumal er seinen Diesel-Golf ohnehin zurückgeben wollte.

«Für alle Seiten ärgerlich»

VW räumte ein, solche Fälle könnten auftreten. Man bedauere dies, wolle Vergleiche und Urteile «so reibungslos wie möglich» abwickeln: «Jede unnötige Hürde oder Verzögerung kostet zusätzliches Geld und Nerven. Das ist für alle Seiten, insbesondere für die Kundinnen und Kunden, ärgerlich.» Man habe für Vergleiche nicht zuletzt deshalb das automatisierte Online-Portal aufgesetzt. «Wenn es in Einzelfällen zu Unstimmigkeiten kommt, lassen sich diese in der Regel im direkten Kontakt mit dem Kunden oder den Anwälten sehr schnell ausräumen.»

Verbraucherschützer kennen ähnliche Beispiele, auch aus dem früheren Musterverfahren. Es gelinge zum Beispiel nicht immer, das übliche Zahlungsziel von zwölf Wochen einzuhalten, heißt es. Man könne dann vermitteln und helfen, die Ursache zu klären – besonders wenn es um eine Rückabwicklung des Autokaufs außerhalb von Vergleichen gehe.

Gegenstand der außergerichtlichen Einigungen war der Motor EA189. Zum neueren EA288, der laut VW keine unzulässige Abschalteinrichtung hat, gibt es auch Klagen – hier hätten Gerichte bisher fast nur zugunsten des Herstellers entschieden. Etwa 8500 Klagen seien gerade anhängig.

Weitere juristische Baustellen 2021

Strittig war bis zuletzt die Verjährung von Schadenersatz-Ansprüchen. Der BGH deutete an: Dieselkunden, die erst 2019 oder 2020 gegen VW klagten, dürften wohl leer ausgehen. Denn im September 2015, als der Betrug öffentlich wurde, sei das Thema genügend bekannt gewesen, um vor Gericht zu ziehen. Wer damals also nachweislich wusste, dass sein Auto betroffen ist, hätte bis spätestens Ende 2018 klagen müssen.

Es soll aber weitere Verhandlungen zu Details der Verjährungsfrage geben – wie auch zur Bewertung der Software-Updates, mit denen VW die Abgasreinigung nachbesserte. Ein Reizthema bleibt zudem, mit welcher Begründung Autohersteller Abschalteinrichtungen verwenden dürfen, die das Filtern der Emissionen etwa bei niedrigen Temperaturen drosseln. Der Europäische Gerichtshof ließ Ausnahmen für solche Software zu – aber nur, «um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen».

Umweltverbände kritisieren den sogenannten Motorschutz oft als vorgeschobene Argumentation, um hohe NOx-Werte akzeptabel erscheinen zu lassen. Anders als bei «Dieselgate» geht es hier aus Sicht der Behörden um verschiedene Rechtsauffassungen, nicht um vorsätzliche Täuschung. Auch strafrechtlich wird der Abgasskandal aber noch weiter aufgearbeitet: Besondere Aufmerksamkeit dürfte ab Ende April der Betrugsprozess gegen Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn bekommen.

Von Jan Petermann, dpa