25. November 2024

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Auch Amazon muss Herkunft von Obst und Gemüse angeben

Jeder Supermarkt vor Ort muss den Verbrauchern sagen, woher das Obst und Gemüse in der Auslage stammt. Geht aber nicht beim Online-Versand, behauptete Amazon vor Gericht. Und zahlt jetzt Lehrgeld.

Das Gesetz gilt für alle – und deshalb muss auch der Online-Händler Amazon seinen Kunden bei der Bestellung von frischem Obst und Gemüse das Herkunftsland angeben, genauso wie der Supermarkt um die Ecke und der Händler auf dem Wochenmarkt.

Das hat das Oberlandesgericht München klargestellt und ein Urteil des Landgerichts München bestätigt.

Die Richter machten kurzen Prozess und verkündeten ihr Urteil schon nach zweistündiger Verhandlung: Berufung abgewiesen! Wie der Senatsvorsitzende Andreas Müller erklärte, müssen Lebensmittelhändler den Verbrauchern das Land angegeben, in dem das Obst und Gemüse geerntet wurde. Diese transparente Produktinformation schreibe eine EU-Verordnung zum Schutz der Verbraucher vor.

Die Angabe, dass die Weintrauben aus Italien oder Brasilien oder Indien oder 10 anderen Ländern kommen, verstoße gegen diese Vorgaben. «Vielleicht möchte ich im Herbst Weintrauben aus einem europäischen Land haben und nicht aus Südafrika», sagte der Richter. Ebenso verstoße es gegen das Gesetz, wenn Mangos aus dem Senegal bestellt, dann aber Mangos aus Israel geliefert würden.

Der Verbraucherschutzverein Foodwatch hatte genau das bei Testkäufen festgestellt und Amazon verklagt. Amazon argumentierte dagegen, dass die Angabe von nur einem Ursprungsland im Online-Lebensmittelhandel gar nicht möglich sei. Dass kein einziger Lebensmittel-Onlinehändler die Vorgaben erfülle. Und dass die Kunden das auch gar nicht erwarten würden. Wenn Erdbeeren für ein Fest in drei Wochen bestellt würden, hänge es vom Wetter und der Ernte ab, woher die Ware letztendlich komme, sagte die Amazon-Anwältin.

So geht’s nicht, hatte schon das Landgericht dem Konzern ins Stammbuch geschrieben: Die EU-Marktrichtlinie gelte für alle, und wenn das Amazon-Geschäftsmodell damit nicht funktioniere, müsse der Online-Händler sein Geschäftsmodell eben ändern und nicht umgekehrt.

Dass das – anders als zunächst behauptet – auch geht, hat Amazon inzwischen gezeigt. Wie die Anwältin des Unternehmens vor Gericht sagte, gibt Amazon fresh jetzt ein konkretes Ursprungsland an. Allerdings könnten Kunden jetzt nur noch drei Tage im Voraus bestellen, das Angebot sei kleiner geworden, und «die Verkaufsmenge ist um über 20 Prozent gesunken».

Ein harter Schlag, denn nach Einschätzung des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI verdient in Deutschland noch niemand Geld mit dem Online-Lebensmittelhandel – von Spezialisten wie Weinversendern abgesehen. Deshalb tummeln sich auch nur wenige auf diesem Feld. Während im Einzelhandel vor Ort die Supermärkte und Discounter die größten Umsätze machen, ist es in der Online-Welt genau umgekehrt: Da sind die Lebensmittelhändler die Zwerge mit knapp zwei Prozent Geschäftsanteil.

«Vollsortimenter wie Rewe oder Amazon fresh gibt es ganz wenige. Frisches Obst und Gemüse, tiefgekühlten Fisch zu verschicken, das ist anspruchsvoll», sagt Lars Hofacker, Leiter des EHI-Forschungsbereichs E-Commerce. «Wenn der Ravioli-Hersteller das Rezept ändert, kann das der Käufer auf der Dose nachlesen. Online ist das viel komplexer.» Dabei gehe es auch um Fragen der Haftung, zum Beispiel bei Allergien. «Die Rewes und Edekas gehen da sehr gewissenhaft vor. Start-ups scheinen da manchmal, nun – pragmatischer zu verfahren.»

Die Online-Vollsortimenter sind vor allem in Großstädten unterwegs, wo es auch viele Läden gibt. Als Amazon vor vier Jahren angekündigt hatte, mit Lebensmitteln auf den Markt zu kommen, habe mancher gesagt: «Jetzt ändert sich alles! Aber das ist noch nicht passiert», sagt Hofacker. «Verbraucher und Händler nähern sich dem Thema immer noch an.» Immerhin gibt es in Deutschland rund 37 000 Lebensmittelläden und unzählige Bauern- und Wochenmärkte.

Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz der Online-Lebensmittelhändler laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) von 1,6 auf 2,7 Milliarden Euro. Die Corona-Pandemie habe ihnen neue Kunden gebracht. «Manche Ältere, die nicht in einen Laden gehen wollten, haben gelernt: Das ist eine Option, wenn man mal nicht mehr so mobil ist», sagt Hofacker. «Nach Corona dürfte der Online-Handel mit Lebensmitteln auf einem höheren Niveau weiterwachsen.»

Von Roland Losch, dpa